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Güterabwägung: Wie wird beurteilt, ob ein Tierversuch zulässig ist?

Um eine Bewilligung zu erhalten, müssen Forschende eine detaillierte Beschreibung des Versuchsziels und der geplanten Versuche einreichen. Die Behörden prüfen das Gesuch dann insbesondere hinsichtlich den folgenden Fragen:

1) Sind die formalen rechtlichen Bestimmungen erfüllt?
2) Ist der Versuch geeignet, um das Ziel zu erreichen?
3) Entspricht das Vorgehen tiermedizinischen und wissenschaftlichen Qualitätsstandards?
4) Kann das Ziel ohne Tiere, mit weniger Tieren oder mit weniger belastenden Massnahmen erreicht werden?
5) Rechtfertigt das angestrebte Versuchsziel die Belastungen der Tiere? (Güterabwägung)

Alle Fragen müssen mit «Ja» beantwortet werden, damit eine Bewilligung erteilt wird.

Für jeden Tierversuch müssen Forschende eine detaillierte Beschreibung des geplanten Projekts einreichen [1]. Notwendige Voraussetzung für eine Tierversuchsbewilligung ist die Einhaltung der formalen rechtlichen Bestimmungen sowie die Planung der Experimente gemäss den aktuellen tiermedizinischen und wissenschaftlichen Standards. Zusätzlich nimmt das sogenannte «3R-Prinzip» («Replace, Reduce, Refine») eine entscheidende Rolle ein: Forschende sind verpflichtet zu prüfen, ob das Versuchsziel auch ohne Tiere («Replace»), mit weniger Tieren («Reduce») oder mit weniger belastenden Massnahmen («Refine») erreicht werden kann. Ist das möglich, muss das geplante Experiment vor einer Bewilligung entsprechend angepasst werden.

Bei jedem belastenden Tierversuchsgesuch wird nach Prüfung der sachlichen und rechtlichen Aspekte eine Güterabwägung vorgenommen [2]. Das Resultat dieser Güterabwägung ist ein begründetes Urteil darüber, ob die Belastung des Tieres (Leiden, Schmerzen, Angst und Schäden) mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, dem medizinischen Nutzen für Mensch oder Tier oder dem Schutz der Umwelt gerechtfertigt werden können [3]. Das bedeutet, dass höhere Belastungen auf der einen Seite mit einem höheren wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn oder einem höheren medizinischen oder ökologischen Nutzen auf der anderen Seite einhergehen müssen.

Das Tierschutzgesetz unterscheidet zudem bei der Gewichtung verschiedener Tierarten. Experimente an evolutiv «höher» stehenden Tieren dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn der Zweck des Versuchs nicht mit evolutiv «tiefer» stehenden Tierarten (oder mit tierversuchsfreien Methoden) erreicht werden kann [4]. Bei der Einteilung in «höher» oder «tiefer» entwickelte Tiere ist aus rechtlicher Sicht die evolutionäre Nähe zum Menschen relevant. Primaten nehmen beispielsweise eine höhere Stellung ein als Nagetiere, Nagetiere sind höher gestellt als Fische.

Weitere Informationen dazu, wie man eine Güterabwägung konkret vornimmt, finden sich in der Wegleitung Güterabwägung der Akademien der Wissenschaften Schweiz [5]. Grundsätzliche ethische Fragen zum Thema Tierversuche werden im Reatch-Themendossier «Forschen mit Tieren» behandelt [6].

Noun Rat 3583739

Das ist ein Beitrag des Themendossiers «Tierversuche in der Schweiz».

Hier geht es zur Dossierübersicht.

Referenzen

[2]

Siehe dazu die Frage «Wie werden Tierversuche in der Schweiz bewilligt?» im Reatch-Themendossier «Tierversuche in der Schweiz (FAQ)».

[3]

Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Tiere, Tierversuche, Schweregrad und Güterabwägung, https://www.blv.admin.ch/blv/d...; siehe dazu auch die Frage «Wofür dürfen in der Schweiz Tierversuche eingesetzt werden?» im Reatch-Themendossier «Tierversuche in der Schweiz (FAQ)».

[5]

Kommission für Tierversuchsethik (2017). Güterabwägung bei Tierversuchen – eine Wegleitung. Akademien der Wissenschaften Schweiz. https://scnat.ch/de/uuid/i/1e7...

[6]

Reatch. Verantwortungsvolle Wissenschaften. Forschen mit Tieren. https://reatch.ch/topics/veran...

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Autor*innen

Autor*in

Team Entwicklung & Qualität und Dossierverantwortlicher "Verantwortungsvolle Tierversuche"

Jonas Füglistaler schloss einen Master in Biotechnologie an der ETH Zürich und einen zweiten in Biostatistik an der UZH ab. Seither arbeitet er im pharmazeutischen R&D im IT Bereich. Sein besonderes Interesse gilt neuen Erkenntnissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Diziplinen, die zum Fortschritt der Medizin beitragen.

Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.

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