Für jeden Tierversuch müssen Forschende eine detaillierte Beschreibung des geplanten Projekts einreichen [1]. Notwendige Voraussetzung für eine Tierversuchsbewilligung ist die Einhaltung der formalen rechtlichen Bestimmungen sowie die Planung der Experimente gemäss den aktuellen tiermedizinischen und wissenschaftlichen Standards. Zusätzlich nimmt das sogenannte «3R-Prinzip» («Replace, Reduce, Refine») eine entscheidende Rolle ein: Forschende sind verpflichtet zu prüfen, ob das Versuchsziel auch ohne Tiere («Replace»), mit weniger Tieren («Reduce») oder mit weniger belastenden Massnahmen («Refine») erreicht werden kann. Ist das möglich, muss das geplante Experiment vor einer Bewilligung entsprechend angepasst werden.
Bei jedem belastenden Tierversuchsgesuch wird nach Prüfung der sachlichen und rechtlichen Aspekte eine Güterabwägung vorgenommen [2]. Das Resultat dieser Güterabwägung ist ein begründetes Urteil darüber, ob die Belastung des Tieres (Leiden, Schmerzen, Angst und Schäden) mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, dem medizinischen Nutzen für Mensch oder Tier oder dem Schutz der Umwelt gerechtfertigt werden können [3]. Das bedeutet, dass höhere Belastungen auf der einen Seite mit einem höheren wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn oder einem höheren medizinischen oder ökologischen Nutzen auf der anderen Seite einhergehen müssen.
Das Tierschutzgesetz unterscheidet zudem bei der Gewichtung verschiedener Tierarten. Experimente an evolutiv «höher» stehenden Tieren dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn der Zweck des Versuchs nicht mit evolutiv «tiefer» stehenden Tierarten (oder mit tierversuchsfreien Methoden) erreicht werden kann [4]. Bei der Einteilung in «höher» oder «tiefer» entwickelte Tiere ist aus rechtlicher Sicht die evolutionäre Nähe zum Menschen relevant. Primaten nehmen beispielsweise eine höhere Stellung ein als Nagetiere, Nagetiere sind höher gestellt als Fische.
Weitere Informationen dazu, wie man eine Güterabwägung konkret vornimmt, finden sich in der Wegleitung Güterabwägung der Akademien der Wissenschaften Schweiz [5]. Grundsätzliche ethische Fragen zum Thema Tierversuche werden im Reatch-Themendossier «Forschen mit Tieren» behandelt [6].
Das ist ein Beitrag des Themendossiers «Tierversuche in der Schweiz».
Referenzen
Art. 30 TVV, https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2010/207/de#art_30
Siehe dazu die Frage «Wie werden Tierversuche in der Schweiz bewilligt?» im Reatch-Themendossier «Tierversuche in der Schweiz (FAQ)».
Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Tiere, Tierversuche, Schweregrad und Güterabwägung, https://www.blv.admin.ch/blv/d...; siehe dazu auch die Frage «Wofür dürfen in der Schweiz Tierversuche eingesetzt werden?» im Reatch-Themendossier «Tierversuche in der Schweiz (FAQ)».
Art. 20 Abs. 2 TSchG, https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2008/414/de#art_20
Kommission für Tierversuchsethik (2017). Güterabwägung bei Tierversuchen – eine Wegleitung. Akademien der Wissenschaften Schweiz. https://scnat.ch/de/uuid/i/1e7...
Reatch. Verantwortungsvolle Wissenschaften. Forschen mit Tieren. https://reatch.ch/topics/veran...
Haben Sie etwas entdeckt, das fehlt oder fehlerhaft ist? Dann weisen Sie uns darauf hin! So geht es:
- Markieren Sie im Text die Passage, die Sie kommentieren möchten.
- Klicken Sie auf das erscheinende Kommentarsymbol und sagen Sie uns, was fehlt oder falsch ist.
- Wichtig: Bitte begründen Sie Ihre Aussage. Bei Faktenaussagen bitte auch auf entsprechende Quellen verweisen.
Wir kontrollieren die Texte regelmässig auf neue Kommentare und betten diese wenn möglich in den Text ein. Achtung: Kommentare ohne Begründungen und Quellenangaben werden nicht berücksichtigt.
Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.
Comments (0)