Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen zum Bewilligungsverfahren befinden sich im Tierschutzgesetz, in der Tierschutzverordnung sowie in der Tierversuchsverordnung [1]. Bevor ein neuer Tierversuch durchgeführt werden kann, muss ein Antrag an das zuständige kantonale Veterinäramt gestellt werden. Dabei müssen die Forschenden darlegen, was untersucht werden soll und weshalb ein Tierversuch nötig ist. Sie müssen aufzeigen, dass es keine Alternative zum Tierversuch gibt, mit welchem das Versuchsziel erreicht werden kann [2]. Darüber hinaus muss beschrieben werden, welchen Nutzen der Tierversuch bringt, wie die Belastung der Tiere auf das Minimum reduziert wird und ob sie relativ zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, dem medizinischen Nutzen für Mensch oder Tier oder dem angestrebten Schutz der Umwelt, gerechtfertigt ist [3]. Beim Schreiben der behördlichen Anträge werden die Forschenden von Tierschutzbeauftragten unterstützt, die in jeder Forschungseinrichtung gesetzlich vorgeschrieben sind. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Gesuche vollständig und gesetzeskonform sind, insbesondere dass die tierschutzrelevanten Auflagen eingehalten werden. Jedoch nehmen sie im Gegensatz zu den Mitgliedern der Tierversuchskommission keine Güterabwägung vor. Die Tierschutzbeauftragten müssen über einen Hochschulabschluss verfügen, der Grundwissen über die Tiere vermittelt (u.a. Physiologie, Anatomie und Molekularbiologie). Ebenso müssen sie eine mindestens dreijährige praktische Tierversuchserfahrung mit den dazugehörigen Grundausbildungen in wissenschaftlicher, tiermedizinischer, rechtlicher, ethischer Hinsicht vorweisen können.[4].
Nach der Einreichung übernehmen die kantonalen Veterinärämter eine Vorprüfung und senden das Gesuch wenn nötig zur Überarbeitung an die Forschenden zurück. Danach geht das Gesuch weiter an eine Tierversuchskommission, die aus unabhängigen Fachleuten besteht und in der auch Tierschutzorganisationen angemessen vertreten sein müssen [5]. Die Kommission begutachtet das eingereichte Gesuch, stellt den Antragsstellenden wenn nötig Rückfragen und gibt schliesslich eine Empfehlung an das kantonale Veterinäramt ab, wobei eine Kommission für einen oder mehrere Kantone zuständig sein kann [6]. Neben der rechtlichen und fachlichen Einschätzung besteht das Kernstück dieser Empfehlung aus der Güterabwägung. Diese muss aufzeigen, dass der zu erwartende Erkenntnisgewinn oder der wissenschaftliche, gesellschaftliche, medizinische oder ökologische Nutzen die Belastungen für die Tiere zu rechtfertigen vermag [7].
Den endgültigen Entscheid über die Bewilligung trifft das kantonale Veterinäramt, in der Regel basierend auf der Empfehlung der Tierversuchskommission. Das ganze Bewilligungsverfahren dauert in der Regel mehrere Monate. Weiterhin wird jeder beantragte Tierversuch und jede Haltung von Tieren für solche Versuche von der kantonalen Tierversuchskommission begutachtet [8].
Das ist ein Beitrag des Themendossiers «Tierversuche in der Schweiz».
Referenzen
Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Tiere, Tierversuche, Antrag auf Bewilligung, https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/tiere/tierversuche/antrag-bewilligung-tv.html#88_1458836310543__content_blv_de_home_tiere_tierversuche_antrag-bewilligung-tv_jcr_content_par_tabs
Siehe dazu die Frage «Warum können Tierversuche noch nicht vollständig mit tierversuchsfreien Methoden (sog. «Alternativmethoden») ersetzt werden?»
Siehe dazu die Frage «Güterabwägung: Wie wird beurteilt, ob ein Tierversuch zulässig ist?»
Art. 129 ff. TSchV, https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20080796/index.html#a129; Abschnitt 6 und 7 Tierschutzausbildungsverordnung, https://www.fedlex.admin.ch/el...
Art. 34 TschG, https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2008/414/de#art_34
In der Schweiz gibt es zurzeit 13 kantonale Tierversuchskommissionen: (AG/BL/BS), (BE/LU/NW/OW/SO/SZ/UR), FR, GE, (GL/GR), JU, SG, TG, TI, (VD/NE), VS, ZG, (ZH/AI/AR/SH). Quelle: Schweizer Tierschutz (2019). Für ein Verbot schwerbelastender Tierversuche.
Art. 18 TSchG, https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2008/414/de#art_18; siehe dazu auch die Frage «Güterabwägung: Wie wird beurteilt, ob ein Tierversuch zulässig ist?»)
Für weitere Informationen, siehe die Übersichtsseite «Tierversuche» des Bundesamts für Lebensmittelwissenschaft und Veterinärwesen, https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/tiere/tierversuche.html
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Comments (3)
Die Güterabwägung kann nicht "positiv" (oder "negativ") ausfallen, sondern für eine Rechtfertigung des Versuches muss der erwartete Erkenntnisgewinn die Belastungen der Tiere überwiegen. Die wertenden Begriffe (positiv/negativ) deuten auf eine Voreingenommenheit hin, die bei der Beurteilung von Tierversuchen nicht zulässig wäre.
Danke für den wichtigen Hinweis - das haben wir angepasst.
WIe werden diese bestimmt? Was heisst angemessen?
Irgendwas über diesen Zeritifkationsprozess wäre relevant. Evtl. ein eigener Artikel?
Danke für den Input! Die Details regeln jeweils die Kantone. So verlangt das Zürcher Tierschutzgesetz [1] beispielsweise, dass in der Tierversuchskommission 11 Mitglieder Einsitz nehmen, wovon 3 Mitglieder auf Vorschlag der Tierschutzorganisationen gewählt werden (§ 4 Abs. 2 TSchG ZH).
Ein eigener Artikel zu den einzelnen kantonalen Bestimmungen ist zurzeit nicht vorgesehen - wenn jemand aber Interesse hat, sich dem anzunehmen, unterstützen und veröffentlichen wir das gerne!
[1] TSchG ZH, https://www.zh.ch/de/politik-staat/gesetze-beschluesse/gesetzessammlung/zhlex-ls/erlass-554_1-1991_06_02-1992_04_01-101.html
D.h. sie haben keine Ausbildung in Ethik? Müssen aber ethische Fragen beurteilen?
Danke für die Frage - ich musste auch rasch nachschauen, ob eine ethische Grundausbildung dazugehört.
Kurz: Tierschutzbeauftragte müssen Grundkenntnisse haben in Ethik und dazu gesetzliche vorgeschriebene Weiterbildungen absolvieren.
Ausführlich: Da die Tierschutzbeauftragen eine mindestens dreijährige praktische Berufserfahrung im Tierversuchsbereich mitbringen müssen, haben sie auch die gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildungsanforderungen gemäss Abschnitt 6 der Tierschutzausbildungsverordnung (TSchAV) zu erfüllen [1]. Darin enthalten ist auch die Vermittlung ethischer Grundkenntnisse (Art. 24 Abs. 1 lit. b).
Darüber hinaus müssen Tierschutzbeauftrage zusätzliche Weiterbildungen gemäss Abschnitt 7 TSchAV absolvieren. Diese fokussieren neben tiermedizinischen und wissenschaftlichen Aspekten von Versuchsplanung und -durchführung auch auf die Umsetzung von rechtlichen und ethischen Anforderungen an einen Versuch, zum Beispiel wie sich die Belastungen für die Tiere minimieren lassen.
Wichtig auch zu betonen: Die Tierschutzbeauftragen überprüfen, ob die Gesuche vollständig und gesetzeskonform sind - insbesondere ob die tierschutzrelevanten Anforderungen bei einem Gesuch erfüllt sind. Dazu gehört auch die Überprüfung, ob die Güterabwägung gesetzeskonform vorgenommen wurde. Im Gegensatz zu den Mitgliedern der Tierversuchskommissionen nehmen sie selber aber keine Güterabwägung vor
Ich habe die obigen Informationen in gekürzter Form im Text implementiert.
[1] Abschnitte 6 und 7 TSchAV, https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2008/609/de#chap_2/sec_6