Noun Cat and dog 3381964

Wie gut sind Versuchstiere in der Schweiz im Vergleich zu Heimtieren geschützt ?

Versuchstiere dürfen in der Schweiz höheren Belastungen ausgesetzt werden als Heimtiere, wenn der Erkenntnisgewinn oder der Nutzen für Medizin und Umwelt dies rechtfertigt. Aus diesem Grund sind aber die gesetzlichen Anforderungen und Kontrollen im Versuchstierbereich strenger als im Heimtierbereich.

Die Auflagen zu den Haltungsbedingungen in Bezug auf Mindestgrössen der Gehege und Rückzugsmöglichkeiten sind in der Schweiz im Heimtierbereich strenger als bei Versuchstieren. Bei Mäusen wird im Heimtierbereich beispielsweise eine Mindestfläche von 500 bis 900 cm2 pro Maus gefordert, wohingegen es im Versuchstierbereich lediglich 60 bis 100 cm2 sind. Auch bezüglich den zulässigen Eingriffen bestehen wesentliche Unterschiede. So sind beispielsweise die Entnahme von Blut oder die Abgabe von Medikamenten zu Forschungszwecken mittels einer spezifischen Form der Zwangsfütterung (sog. «Gavage») bei Versuchstieren zulässig, wenn es das Experiment bedingt. Im Heimtierbereich ist dies jedoch undenkbar. Somit lässt sich festhalten, dass der rechtliche Tatbestand zur Tierquälerei bei Heimtieren schneller erreicht ist – also bei geringeren Belastungen – als bei Versuchstieren.

Diese Diskrepanz lässt mit einer unterschiedlichen Güterabwägung erklären, die sich anders verhält zwischen Versuchs- und Heimtieren [1]: Der gesellschaftliche Nutzen von Versuchstieren wird höher eingestuft als jener von Heimtieren. Deshalb werden bei Versuchstieren höhere Belastungen toleriert als bei Heimtieren [2].

Aus diesem Grund sind aber die gesetzlich vorgeschriebenen Auflagen und Kontrollen im Versuchstierbereich umfassender und strenger. Institutionen, die Versuchstiere halten oder Tierversuche durchführen, müssen eine Reihe von Auflagen und Voraussetzungen erfüllen [3]. So braucht es beispielsweise in jedem Institut oder Labor einen Tierschutzbeauftragen [4]. Hinzu kommt, dass alle Personen, die Versuchstiere halten oder Tierversuche durchführen, eine entsprechende Ausbildung benötigen und regelmässig obligatorische Schulungen durchlaufen müssen, welche über den korrekten Umgang mit Versuchstieren sowie die korrekte Tierhaltung aufklären [5]. Bei Versuchstieren kümmern sich zum einen zugelassene Tierpfleger und spezialisierte Tierärzte, zum anderen die Forschenden selbst um die Tiere (vor allem während den Experimenten). Ebenso muss eine adäquate Überwachung und Betreuung der Tiere sichergestellt sein, inkl. Kontaktpersonen für tiermedizinische Notfälle [6]. Vergleichbar umfassende gesetzliche Vorschriften bzgl. Mindestkenntnissen und -anforderungen fehlen im Heimtierbereich. Das kann dazu führen, dass Heimtierhalter ihre Haustiere nicht artgerecht halten, z.B. indem sie sie überfüttern, nicht genügend Auslauf bieten oder soziale Tiere einzeln halten.

Ausserdem werden Laboratorien und Versuchstierhaltungen von den Behörden streng kontrolliert und überwacht. Es besteht eine obligatorische Bewilligungspflicht für Tierversuche, selbst für Beobachtungsstudien, welche Tiere keinen Belastungen aussetzen [7]. Ebenso müssen die kantonalen Behörden die Versuchstierhaltungen laut Gesetz mindestens einmal jährlich kontrollieren und auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hin überprüfen. Jährlich müssen sie bei mindestens einem Fünftel der bewilligten Tierversuche die Durchführung kontrollieren, wobei sich die Auswahl an der Belastung und der Anzahl der Tiere orientiert [8]. Im Heimtierbereich gibt es keine solchen Kontroll- und Überwachungsinstrumente.

Das ist ein Beitrag des Themendossiers «Tierversuche in der Schweiz».

Hier geht es zur Dossierübersicht.

Referenzen

[2]

Siehe dazu die Anmerkungen zu Behauptung C5 im Faktencheck Tierversuche von Reatch: https://reatch.ch/topics/fakte...

[3]

Art. 114 ff. TschV, https://www.fedlex.admin.ch/el..., Art. 128 ff. TschV, https://www.fedlex.admin.ch/el..., Tierversuchsverordnung, https://www.fedlex.admin.ch/el...

[4]

Art. 129a f. TschV, https://www.fedlex.admin.ch/el...

[5]

Art. 114 TSchV ff., https://www.fedlex.admin.ch/el... sowie Art. 135 TSchV, https://www.fedlex.admin.ch/el...

[6]

Art. 121 f., Art 144 TschV, https://www.fedlex.admin.ch/el..., Art. 2 TVV ff., https://www.fedlex.admin.ch/el...

[7]

Art. 18 TSchG, https://www.fedlex.admin.ch/el...; siehe auch die Frage «Wie werden Tierversuche in der Schweiz bewilligt?» für mehr Informationen zum Bewilligungsverfahren.

Haben Sie etwas entdeckt, das fehlt oder fehlerhaft ist? Dann weisen Sie uns darauf hin! So geht es:

  1. Markieren Sie im Text die Passage, die Sie kommentieren möchten.
  2. Klicken Sie auf das erscheinende Kommentarsymbol und sagen Sie uns, was fehlt oder falsch ist.
  3. Wichtig: Bitte begründen Sie Ihre Aussage. Bei Faktenaussagen bitte auch auf entsprechende Quellen verweisen.

Wir kontrollieren die Texte regelmässig auf neue Kommentare und betten diese wenn möglich in den Text ein. Achtung: Kommentare ohne Begründungen und Quellenangaben werden nicht berücksichtigt.

Autor*innen

Autor*in

Präsidium, Fundraising

Servan Grüninger ist Mitgründer und Präsident von Reatch. Er hat sein Studium mit Politikwissenschaften und Recht begonnen und mit Biostatistik und Computational Science abgeschlossen. Zurzeit doktoriert er am Institut für Mathematik der Universität Zürich in Biostatistik. Weitere Informationen: www.servangrueninger.ch.

Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.

Zum Kommentieren mehr als 20 Zeichen im Text markieren und Sprechblase anklicken.

Wir freuen uns über nützliche Anmerkungen. Die Kommentare werden moderiert.