Damit ein neues Arzneimittel eine Zulassung für die Behandlung einer bestimmten Krankheit bekommt, sind umfangreiche wissenschaftliche Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit nötig. Dafür braucht es präklinische Studien (z.B. Tierversuche), klinische Arzneimittelstudien am Menschen [2] sowie Daten über die chemischen und pharmakologischen Eigenschaften des Arzneimittels.
Vor den klinischen Versuchen mit Menschen werden neue Wirkstoffe zuerst eingehend in vitro sowie in vivo an Tieren getestet, um ihre Wirksamkeit und Sicherheit so gut wie möglich abschätzen zu können [2]. Zusätzlich muss ein pharmazeutisches Unternehmen nachweisen können, dass es den Wirkstoff nach hohen und gleichbleibenden Qualitätsstandards produzieren kann. Mit diesem Nachweis und den Daten aus präklinischen Versuchen kann bei den Regulierungsbehörden ein Antrag auf die Durchführung von klinischen Versuchen mit Menschen gestellt werden [3]. Bei Studien mit neuen Arzneimitteln müssen sowohl eine kantonale Ethikkommission wie auch die Schweizerische Heilmittelbehörde Swissmedic ihre Zustimmung zur Durchführung geben [4].
Die klinischen Versuche am Menschen dienen zuerst dazu, die Verträglichkeit, Aufnahme, Verteilung, Umwandlung und Ausscheidung eines Wirkstoffs beim Menschen bestimmen zu können. Danach muss ein Wirkstoff weiter auf seine Sicherheit und Wirksamkeit getestet und eine optimale Dosierung gefunden werden. Schiesslich muss gezeigt werden, dass ein Wirkstoff verglichen mit bestehenden Therapien einen Behandlungsvorteil bringt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Wirkstoff wirksamer oder einfacher in der Anwendung ist oder wenn er mit weniger Nebenwirkungen einhergeht. All dies geschieht in einem aufwändigen mehrstufigen Verfahren [5].
Um eine Marktzulassung zu erhalten, müssen die Resultate aus der klinischen Forschung gemeinsam mit den Ergebnissen aus den vorangehenden Entwicklungsschritten bei Swissmedic eingereicht werden. Das Zugangsgesuch muss dabei von den Arzneimittelherstellern erfolgen, d.h. Swissmedic darf nicht von sich aus tätig werden und ein Zulassungsverfahren initiieren. Swissmedic darf ein neues Arzneimittel nur dann zulassen, wenn genügend wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit und Sicherheit eines Arzneimittels vorliegen und wenn die Abwägung der Nutzen und der Risiken positiv ausfällt.
Die Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit ist dabei immer relativ zur Schwere der Erkrankungen und bereits bestehenden Handlungsoptionen vorzunehmen. So darf ein Medikament gegen eine lebensbedrohliche Krankheit wie Alzheimer, für die noch keine wirksame Therapie besteht, höhere Risiken haben, um zugelassen zu werden, als beispielsweise ein Wirkstoff gegen Heuschnupfen, bei dem bereits sichere und wirksame therapeutische Alternativen zugelassen sind. Nach einer Zulassung wird die Wirksamkeit und Sicherheit im Alltag in Beobachtungsstudien weiter untersucht [5]. Zudem werden Nebenwirkungen im Rahmen der sogenannten «Pharmakovigilanz» weiterhin erfasst und ausgewertet, um potentiell seltene Nebenwirkungen, die in präklinischen und klinischen Versuchen unentdeckt blieben, möglichst schnell erkennen zu können [6].
Bei neuen Medikamenten und Impfstoffen vergehen so für den gesamten Prozess der Entdeckung eines möglichen Wirkstoffs bis zur Zulassung im Normalfall ein bis zwei Jahrzehnte. Dabei wird im Schnitt mit der Forschung an über 10’000 Wirkstoffkandidaten begonnen, von welchen es weniger als 5 Wirkstoffkandidaten in die klinischen Studien schaffen und wovon schliesslich nur einer zugelassen wird [7]. Solche aufwändigen Zulassungs- und Entwicklungsverfahren sind aber nicht für alle Formen von medizinischen Behandlungen notwendig. Im Gegensatz zu Arzneimitteln oder Medizinprodukten müssen chirurgische Eingriffe beispielsweise nicht behördlich genehmigt werden.
Das ist ein Beitrag des Themendossiers «Forschung mit Menschen (FAQ)».
Referenzen
Siehe dazu die Fragen «Was sind klinische Studien und wofür werden sie eingesetzt?» und «Wie läuft die Entwicklung eines Arzneimittels bei Menschen ab?» im Reatch-Themendossier «Forschung mit Menschen (FAQ)».
Siehe dazu das Reatch-Themendossier «Tierversuche in der Schweiz (FAQ)».
Siehe dazu die Frage «Wer bewilligt Forschungsprojekte mit Menschen?» im Reatch-Themendossier «Forschung mit Menschen (FAQ)».
Siehe dazu die Frage «Welche Voraussetzung muss ein Versuch mit Menschen erfüllen, damit er bewilligt wird?» im Reatch-Themendossier «Forschung mit Menschen (FAQ)».
Siehe dazu die Frage «Wie läuft die Entwicklung eines Arzneimittels bei Menschen ab?» im Reatch-Themendossier «Forschung mit Menschen (FAQ)».
Siehe dazu die Frage «Wie lassen sich Langzeitfolgen oder seltene Nebenwirkungen von zugelassenen Arzneimitteln entdecken?» im Reatch-Themendossier «Forschung mit Menschen (FAQ)».
Novartis (2021). Novartis in der Schweiz. Seite 10. https://www.novartis.ch/sites/...
Swissmedic (2021). Wegleitung Zulassung Humanrzneimittel mit bekanntem Wirkstoff HMV4. https://www.swissmedic.ch/dam/...
Swissmedic (2020). Fragen und Antworten zur Zulassung von Biosimilar. https://www.swissmedic.ch/swis...
Swissmedic (2021). Wegleitung Zulassung Humanrzneimittel mit bekanntem Wirkstoff HMV4. https://www.swissmedic.ch/dam/...
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