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Wie sind wissenschaftliche Versuche mit Menschen gesetzlich reguliert?

Wichtige Grundsätze zur Forschung am Menschen sind bereits in der Verfassung festgelegt. Dort ist unter anderem festgehalten, dass eine Teilnahme an wissenschaftlichen Studien nur freiwillig und nach hinreichender Aufklärung erfolgen darf. Detaillierte Regeln sind im Humanforschungsgesetz (HFG) und den dazugehörigen Verordnungen festgehalten. Darin steht beispielsweise, dass jedes Forschungsprojekt im Geltungsbereich des HFG jeweils durch eine Ethikkommission bewilligt werden muss. Dabei unterscheidet das Gesetz insbesondere zwischen klinischen Versuchen und anderen Forschungsprojekten (nicht-klinische Versuche). Weil klinische Versuche unterschiedliche Chancen und Risiken beinhalten, müssen sie unterschiedliche Anforderungen erfüllen und werden in einer gesonderten Verordnung geregelt. Forschungsprojekte, die nicht unter das HFG fallen, brauchen hingegen keine Bewilligung einer Ethikkommission. Dazu gehören beispielsweise Analysen von anonymisiertem biologischem Material oder nicht gesundheitsbezogene Forschungsprojekte mit Menschen ohne körperliche Einwirkungen.

Wichtige rechtliche Erlasse zur Humanforschung auf Bundesebene.

Der Schutz des Menschen in der wissenschaftlichen Forschung hat in der Schweiz Verfassungsrang: Art. 118b Abs. 1 BV verlangt, dass die Forschung am Menschen dem Schutz der Würde und der Persönlichkeit von Versuchsteilnehmer*innen Rechnung tragen muss [1]. Für die Forschung in Biologie und Medizin gelten zusätzliche Regeln, um die Sicherheit und Verhältnismässigkeit von Forschungsprojekten mit Menschen zu gewährleisten. Ein wichtiger Grundsatz ist, dass Versuchsteilnehmer*innen hinreichend aufgeklärt werden müssen und eine Teilnahme nur freiwillig erfolgen darf [2]. Ein weiterer wichtiger Grundsatz verlangt, dass die Risiken der Forschung nicht in einem Missverhältnis zum potentiellen Nutzen der Resultate stehen dürfen [3] und dass der Schutz aller Studienteilnehmer*innen gewährleistet sein muss [4]. So sind diejenigen Personen, die am meisten von einem potentiellen Behandlungseffekt profitieren können (also z.B. Erkrankte), anderen Studienteilnehmern vorzuziehen.

Die detaillierte gesetzliche Grundlage zu der Forschung am Menschen in der Schweiz ist im Humanforschungsgesetz (HFG) festgelegt. Es umfasst Forschung zu Krankheiten des Men­schen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers, die mit lebenden oder toten Personen, mit Embryonen und Föten in vivo, mit biologischem Material und mit gesundheitsbezogenen Personendaten durchgeführt werden [5]. Eine wichtige Bestimmung des HFGs verlangt, dass alle Forschungsprojekte in seinem Geltungsbereich durch eine Ethikkommission bewilligt werden müssen [6]. Forschungsprojekte, die nicht unter das HFG fallen, brauchen hingegen keine Bewilligung. Beispielsweise braucht ein Forschungsprojekt mit anonymisierten biologischem Material über Viren ausserhalb des menschlichen Körpers [7] oder medizinische Masterarbeiten [8] in der Regel keine Bewilligung durch eine Ethikkommission. Auch geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung ausserhalb des Gesundheitsbereichs und ohne körperliche Einwirkungen benötigen meist keine Bewilligung [9]. Universitäten haben jedoch oftmals eigene Ethikkommissionen, welche vorwiegend Forschungsprojekte mit Menschen in den Geistes- und Sozialwissenschaften begutachten.

Innerhalb der Gesetzgebung wird ferner zwischen klinischen Versuchen und anderen klinischen Forschungsprojekten unterschieden. Klinische Versuche sind sogenannte «Interventionsstudien», bei denen die Therapie durch das Experiment bestimmt wird und nicht selbst gewählt werden kann. Das heisst, dass die Versuchsteilnehmer*innen eine bestimmte Behandlung unter kontrollierten Bedingungen zugeteilt bekommen, um die Wirkung dieser Behandlung messen zu können [5]. Dadurch können klinische Interventionsstudien die tatsächliche Wirkung einer Behandlungen verlässlicher von natürlichen Veränderungen und Störfaktoren abgrenzen als andere Versuchsdesigns, wie beispielsweise Beobachtungsstudien. Sie geniessen daher wissenschaftlich grundsätzlich einen höheren Stellenwert, sind aber auch aufwändiger in der Durchführung. Da klinische Interventionsstudien aber oftmals neue Therapien testen, gehen sie mit einem höheren Risiko einher, weshalb klinische Versuche in den entsprechenden Verordnungen besonders stark reglementiert sind [15].

Bei Forschungsprojekten ausserhalb des Geltungsbereichs des HFG handelt es sich oft um Beobachtungsstudien, bei denen Daten zu verschiedenen Gesundheitsfragen erhoben werden, ohne dass eine experimentell bestimmte und kontrollierte Intervention vorliegt. Ziel ist es meist, Daten zu gewinnen über bestehende Behandlungsstandards und Verhaltensweisen unter Normalbedingungen – zum Beispiel mittels Patientenbefragungen zu Gewohnheiten im Alltag. Diese Untersuchungen können auch die Abgabe oder Entnahme von Körpersubstanzen (insbesondere Speichel-, Urin-, Blut- oder Stuhlproben), Abstriche oder Ultraschalluntersuchungen umfassen, sofern diese für die Beteiligten keine oder nur minimale Belastungen oder Risiken mit sich bringen [6].

Detaillierte Vorschriften zu klinischen Versuchen sind in der Verordnung über klinische Versuche mit Ausnahme klinischer Versuche mit Medizinprodukten (KlinV) [10] sowie in der Verordnung über klinische Versuche mit Medizinprodukten (KlinV-MeP) [11] festgelegt. Alle anderen klinischen Forschungsprojekte mit und ohne Versuchspersonen sind in der Humanforschungsverordnung (HFV) geregelt [12].

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Das ist ein Beitrag des Themendossiers «Forschung mit Menschen (FAQ)».

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Referenzen

[7]

Kanton Zürich. Gesundheit. Ethik & Humanforschung. Daten, Proben & Datenschutz. https://www.zh.ch/de/gesundhei...

[8]

Swissethics (2014). Arbeitsgruppe Nr. 19: Zuständigkeitsabklärung (Maturaarbeiten, Bachelor- und Masterarbeiten, Dissertationen, Qualitätssicherungsprojekte, Praxiserfahrungsberichte, Heilversuche). Schweizerische Ethikkommission für die Forschung am Menschen. https://www.swissethics.ch/doc...

[10]

Verordnung über klinische Versuche mit Ausnahme klinischer Versuche mit Medizinprodukten, https://www.fedlex.admin.ch/el...

[11]

Verordnung über klinische Versuche mit Medizinprodukten, https://www.fedlex.admin.ch/el...

[12]

Verordnung über die Humanforschung mit Ausnahme der klinischen Versuche, https://www.fedlex.admin.ch/el...

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Präsidium, Fundraising

Servan Grüninger ist Mitgründer und Präsident von Reatch. Er hat sein Studium mit Politikwissenschaften und Recht begonnen und mit Biostatistik und Computational Science abgeschlossen. Zurzeit doktoriert er am Institut für Mathematik der Universität Zürich in Biostatistik. Weitere Informationen: www.servangrueninger.ch.

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Team Entwicklung & Qualität und Dossierverantwortlicher "Verantwortungsvolle Tierversuche"

Jonas Füglistaler schloss einen Master in Biotechnologie an der ETH Zürich und einen zweiten in Biostatistik an der UZH ab. Seither arbeitet er im pharmazeutischen R&D im IT Bereich. Sein besonderes Interesse gilt neuen Erkenntnissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Diziplinen, die zum Fortschritt der Medizin beitragen.

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Vize-Präsidium, Qualität & Entwicklung

Michaela Egli ist Doktorandin in Wissenschaftsphilosophie und Philosophie der Medizin an der Universtität Genf und arbeitet im Bereich der personalisierten Medizin als Projektmanagerin für Ethical Legal Social Issues (ELSI).

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