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Wer kann an einer klinischen Studie teilnehmen?

An einer klinischen Studie kann im Prinzip jeder Mensch teilnehmen. Notwendige Voraussetzung dafür ist aber in jedem Fall eine freiwillige Zustimmung nach eingehender Information über das Forschungsprojekt. Oftmals bestehen auch verschiedene medizinische Ein- und Ausschlusskriterien, um die Sicherheit und ein angemessenes Chancen-Nutzen-Verhältnis zu gewährleisten. Die Ethikkommission überprüft dabei, dass niemand ungerechtfertigterweise von der Teilnahme an einer Studie ausgeschlossen wird. Für besonders verletzbare Personen wie Kinder, Jugendliche oder Schwangere bestehen zusätzliche gesetzliche Einschränkungen.

Grundsätzlich kann jeder Mensch an einem Forschungsprojekt teilnehmen. Das Studienprotokoll, welches für die gesamte Studie bindend ist [1], enthält jedoch Ein- und Ausschlusskriterien, nach welchen die Probanden für die Studie rekrutiert werden. Zu solchen Kriterien gehören zum Beispiel das Alter, Geschlecht oder spezifische Vorerkrankungen. Die Ethikkommission prüft dabei, dass keine Personengruppe bei der Rekrutierung ohne triftigen Grund ausgeschlossen wird [2]. Grundsätzlich ist das Ziel der Auswahl der Teilnehmer*innen, dass diejenigen Gruppen und Individuen, welche die Lasten und möglichen Risiken einer Studienteilnahme tragen, auch zu der Gruppe gehören, die den grössten Nutzen aus einer Studie ziehen kann. Aus diesem Grund werden neue medizinische Interventionen gegen eine bestimmte Krankheit insbesondere an Patient*innen getestet, welche an dieser Krankheit leiden und von der neuen Therapie profitieren könnten [3].

Für die Rekrutierung ist ausserdem vorgeschrieben, dass ein Forschungsprojekt an sogenannten «besonders verletzbaren Personen» nur dann durchgeführt werden darf, falls gleichwertige Erkenntnisse nicht anders gewonnen werden können [4]. Unter besonders verletzbaren Personen versteht man insbesondere Kinder, Jugendliche, urteilsunfähige Erwachsene, Schwangere oder Personen im Freiheitsentzug [5]. Für sie gelten zusätzliche Auflagen und Bestimmungen, um die Sicherheit der Teilnehmer*innen gewährleisten zu können. Beispielsweise sind Forschungsprojekte mit schwangeren Frauen ohne direkten Nutzen für die Frau oder den Embryo nur dann erlaubt, wenn die Risiken für das Ungeborene minimal sind und man wesentliche Erkenntnisse erwartet, die schwangeren Frauen oder den Embryonen/Föten längerfristig Nutzen bringen können [6]. Die Kehrseite dieser Auflagen ist, dass viele medizinische Interventionen, die neu auf den Markt kommen, oftmals noch nicht in klinischen Versuchen mit diesen Personengruppen getestet worden sind, weshalb die Anwendung für diese Personengruppen nicht oder nur mit grosser Vorsicht zugelassen ist. Ein Beispiel dafür ist die Zulassung der Impfstoffe gegen SARS-CoV-2: Die Zulassung für Erwachsene ist vor der Zulassung für Jugendliche und Kinder erfolgt, weil die Abklärungen zu Sicherheit und Wirksamkeit der Impfung bei Jugendlichen und Kindern aufgrund der höheren Auflagen mehr Zeit in Anspruch nimmt.

Für alle Personengruppen gilt: Die Teilnahme von Menschen an einer klinischen Studie muss in jedem Fall freiwillig sein. Zudem müssen angehende Teilnehmer*innen ausreichend über das Forschungsprojekt informiert werden. Dies umfasst eine Information über die Rechte und Pflichten der Versuchsteilnehmer*innen sowie die Chancen und Risiken einer Teilnahme. Dazu gehören beispielsweise detaillierte Angaben zu den geplanten medizinischen Untersuchungen und Interventionen, zum Zeitaufwand, aber auch zur Frage, wie bei allfälligen Schäden die Betreuung, Entschädigung und Versichrung gewährleistet ist [7]. Der Inhalt dieser Aufklärung muss in einer sogenannten «Patienteninformation» festgehalten und von den Bewilligungsbehörden beurteilt werden.

Nach erfolgter Aufklärung müssen die Teilnehmer*innen ihre Zustimmung mittels einer gesetzlich vorgegebenen Einwilligungserklärung bestätigen. Dabei muss den betreffenden Personen ausreichend Bedenkzeit eingeräumt werden und allfällige Fragen müssen vollständig und ehrlich beantwortet werden. Urteilsunfähige Personen müssen so gut wie möglich in das Einwilligungsverfahren miteinbezogen werden und benötigen zusätzlich die schriftliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Vor und während einer Studie werden Teilnehmer*innen zusätzlich persönlich von den Prüfpersonen über den Ablauf informiert [8].

Solange die Versuchsteilnehmer*innen an der klinischen Studie beteiligt sind, müssen sie sich an die Vorgaben des Studienprotokolls halten, beispielsweise dürfen sie nicht beliebig andere Therapien in Anspruch nehmen. Sie können ihre Einwilligung jedoch jederzeit und in der Regel ohne Begründung zurückziehen. Die medizinische Behandlung muss unabhängig von dieser Entscheidung gewährleistet werden [9]. Das heisst, auch nach einem Rücktritt müssen ihnen die zum Schutz ihrer Gesundheit erforderlichen Nachsorgemassnahmen angeboten werden [10].

Das ist ein Beitrag des Themendossiers «Forschung mit Menschen (FAQ)».

Hier geht es zur Dossierübersicht.

Referenzen

[2]

Siehe dazu die Frage «Wer bewilligt Forschungsprojekte mit Menschen?» im Reatch-Themendossier «Forschung mit Menschen (FAQ)».

[7]

Siehe die Vorlage von Swissethics für die Erstellung einer schriftlichen Studieninformation für klinische Versuche als Beispiel: https://www.swissethics.ch/ass...

[8]

Novartis Pharmaceuticals (2017). Wesentliche Informationen über klinische Studien. Kapitel 10. https://www.novartis.ch/sites/...

[9]

Koordinationsstelle Forschung am Menschen (kofam) - Akteure und ihre Rechte und Pflichten. https://www.kofam.ch/de/forsch...

[10]

Art. 9 Abs. 3 Klinv, https://www.fedlex.admin.ch/el...

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Autor*innen

Autor*in

Team Entwicklung & Qualität und Dossierverantwortlicher "Verantwortungsvolle Tierversuche"

Jonas Füglistaler schloss einen Master in Biotechnologie an der ETH Zürich und einen zweiten in Biostatistik an der UZH ab. Seither arbeitet er im pharmazeutischen R&D im IT Bereich. Sein besonderes Interesse gilt neuen Erkenntnissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Diziplinen, die zum Fortschritt der Medizin beitragen.

Autor*in

Präsidium, Fundraising

Servan Grüninger ist Mitgründer und Präsident von Reatch. Er hat sein Studium mit Politikwissenschaften und Recht begonnen und mit Biostatistik und Computational Science abgeschlossen. Zurzeit doktoriert er am Institut für Mathematik der Universität Zürich in Biostatistik. Weitere Informationen: www.servangrueninger.ch.

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