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Steht für Tierversuche mehr Geld zur Verfügung als für tierversuchsfreie Methoden?

Da Forschungsgelder in der Regel nicht für ein bestimmtes Modell, sondern zum Erforschen einer bestimmten wissenschaftlichen Frage verwendet werden, kommen bei vielen biomedizinischen Projekten sowohl Tierversuche wie auch tierversuchsfreie Methoden zum Einsatz. In der Forschungsförderung gibt es deshalb auch keine Gelder, die spezifisch für Tierversuche reserviert wären.

Um die Entwicklung von tierversuchsfreien Methoden zu fördern, gibt es jedoch spezifische Fördertöpfe durch das 3R-Kompetenzzentrum und neu durch ein Nationales Forschungsprogramm. Damit wird auf eine steigende Nachfrage nach Forschungsgeldern in diesem Bereich reagiert.

Viele Forschende der Biomedizin verwenden bei ihrer Arbeit nicht nur ein einziges Modell, sondern setzen tierversuchsfreie Methoden und Tierversuche komplementär ein. So werden beispielsweise Wirkstoffkandidaten oft zuerst in Zell- oder Gewebekulturen getestet, sodass nur vielversprechende Wirkstoffe in Tierversuchen zum Einsatz kommen. Die Kosten eines Forschungsprojekts können also sowohl Ausgaben für Tierversuche wie auch für tierversuchsfreie Methoden enthalten. Hinzu kommen Kosten für Laboratorien, Angestellte, medizinische und chemische Substanzen usw. Eine Aufschlüsselung in Gelder, welche ausschliesslich in Tierversuche fliessen, ist somit kaum möglich.

Auch die Finanzierung biomedizinischer Forschung erfolgt in Bezug auf eine bestimmte Forschungsfrage und nicht in Bezug auf das verwendete Forschungsmodell. In der Schweizer Grundlagenforschung ist der Schweizerische Nationalfond (SNF) der grösste Geldgeber. 2019 vergab er knapp 391 Millionen Franken für Forschungsprojekte im Bereich der Biologie und der Medizin [1]. Für diese Gelder konnten sich die Forschenden unabhängig vom gewählten Modell bewerben: Ob tierversuchsfreie Methoden, Tierversuche oder Versuche am Menschen, der SNF beurteilt die Projekte anhand der wissenschaftlichen Qualität und nicht anhand des gewählten Modells. Meist kommen in einem SNF-Projekt zudem verschiedene Modelle parallel zum Einsatz (zum Beispiel tierversuchsfreie Methoden und Tierversuche). Es gibt deshalb auch keine SNF-Gelder, die für Tierversuche «reserviert» sind.

Zusätzlich gibt es jedoch Gelder, welche spezifisch für die Entwicklung von tierversuchsfreien Methoden sowie für die Reduktion und Verbesserung von Tierversuchen reserviert sind. Beispielsweise vergibt das 3R-Kompetenzzentrum (3RCC) Schweiz jährlich Forschungsgelder, die ausschliesslich der Förderung im Bereich des «3R-Prinzips» («Replace, Reduce, Refine») vorbehalten sind. Dieses besagt, dass Tierversuche wo immer möglich ersetzt («replace»), reduziert («reduce») oder hinsichtlich des Tierwohls verbessert («refine») werden sollen, wenn dies nicht auf Kosten des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns geht. 2020 wurden dafür 1.3 Millionen Franken aufgewendet, wobei die Nachfrage die verfügbaren Gelder weit überstieg: Nur gut 7 Prozent der eingereichten Projekte konnten finanziert werden [2].

Darüber hinaus lancierte der SNF im Frühjahr 2021 ein nationales Forschungsprogramm (NFP) zum Thema «Advancing R – Tiere, Forschung und Gesellschaft». Hauptziele des Programms sind die Verbesserung und Weiterentwicklung des sogenannten «3R-Prinzips» [3]. Das Programm wurde mit 20 Millionen Franken dotierte für eine Dauer von fünf Jahren [4].

Festzuhalten gilt ausserdem, dass staatliche Forschungsgelder nur einen Teil der Forschungsausaben im Bereich der Biomedizin finanzieren. Auch Firmen in der Privatwirtschaft, insbesondere im pharmazeutischen Bereich, investieren in die pharmazeutische Forschung - sowohl in Tierversuche wie auch in die Entwicklung von tierversuchsfreien Methoden [5].

Grundsätzlich gilt sowohl für die öffentliche wie auch für die privatwirtschaftliche Forschung, dass Tierversuche nur dann durchgeführt werden dürfen, wenn die Frage nicht mit tierversuchsfreien Methoden beantwortet werden kann. Darüber hinaus sind tierversuchsfreie Methoden in den meisten Fällen günstiger sowie einfacher in der Anwendung. Deshalb werden aus praktischer und wirtschaftlicher Sicht tierversuchsfreie Methoden oft bevorzugt, wenn sie die gleiche wissenschaftliche Aussagekraft haben wie Tierversuche [6] [7].

Das ist ein Beitrag des Themendossiers «Tierversuche in der Schweiz».

Hier geht es zur Dossierübersicht.

Referenzen

[1]

Schweizerischer Nationalfonds (2020), Forschungsoutput 2015-2019, http://www.snf.ch/SiteCollectionDocuments/profil/2019/SNF-Profil-2019x2020-de-Statistiken-Kurzversion.pdf

[2]

Swiss 3R Competence Centre (2021.05.18), News & Media, 3RCC funds 3Rs project with CHF 1.4 million, https://www.swiss3rcc.org/en/n...

[4]

Der Bundesrat (2021.02.03), Dokumentation, Medienmitteilungen, Nationales Forschungsprogramm zu den Themen, Tiere, Forschung und Gesellschaft lanciert, https://www.admin.ch/gov/de/st...

[5]

European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (2017), Putting animal welfare principles and 3Rs into action, European Pharmaceutical Industry Report 2016 Update, https://www.efpia.eu/media/219...

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Autor*innen

Autor*in

Team Entwicklung & Qualität und Dossierverantwortlicher "Verantwortungsvolle Tierversuche"

Jonas Füglistaler schloss einen Master in Biotechnologie an der ETH Zürich und einen zweiten in Biostatistik an der UZH ab. Seither arbeitet er im pharmazeutischen R&D im IT Bereich. Sein besonderes Interesse gilt neuen Erkenntnissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Diziplinen, die zum Fortschritt der Medizin beitragen.

Autor*in

Präsidium, Fundraising

Servan Grüninger ist Mitgründer und Präsident von Reatch. Er hat sein Studium mit Politikwissenschaften und Recht begonnen und mit Biostatistik und Computational Science abgeschlossen. Zurzeit doktoriert er am Institut für Mathematik der Universität Zürich in Biostatistik. Weitere Informationen: www.servangrueninger.ch.

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