Einleitung
Am 6. Oktober 2021 kamen Vertreter*innen der Wissenschaften und Politik auf Einladung der Universität Zürich und Reatch zu einem «Fireside-Chat» des Franxini-Projekts im Uniturm in Zürich zusammen. Im Rahmen des mehrstündigen Workshops wurden der aktuelle Stand der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik sowie allfällige Verbesserungsmöglichkeiten intensiv diskutiert. Die Veranstaltung wurde nach den «Chatham House Rules» durchgeführt, um einen möglichst offenen und inklusiven Austausch zu ermöglichen.
Der nachfolgende Text stellt einerseits eine Zusammenfassung und Synthese des Anlasses dar (Teil I), andererseits enthält er einige weiterführende Denkanstösse des Franxini-Teams für die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik (Teil II). Denn hier sind sich alle Beteiligten einig: Bereits vor Corona und insbesondere danach besteht in der Schweiz Potenzial für ein besseres Zusammenspiel zwischen Wissenschaft und Politik.
Teil I: Zusammenfassung und Synthese
Erfolgs- und Problemfaktoren beim Austausch zwischen Wissenschaft und Politik
In einem ersten Schritt lösten sich die Teilnehmenden vom Ist-Zustand, um anhand einer Vision zu skizzieren, welche Faktoren zu einem guten Austausch zwischen Wissenschaft und Politik führen und wo Bedenken oder Problemfaktoren liegen könnten.
Zu den Erfolgsfaktoren für den konstruktiven Austausch zählten die Teilnehmenden:
Dialogbereitschaft
Gegenseitige Grenzen und Limitationen erkennen
Gemeinsames Vokabular
Fehler- und Lernbereitschaft
Gegenseitiger Respekt
Die Politik stellt klare Fragen und instrumentalisiert Wissenschaft nicht für Fragestellungen, bei denen es nicht um Sachfragen geht.
Die Wissenschaft macht andererseits deutlich, wann über Fakten und wann über deren Bewertung berichtet wird. Hierzu gehört, den aktuellen Wissensstand und insbesondere Limitationen des Wissens klar aufzuzeigen.
Neben diesen Erfolgsfaktoren identifizierten die Teilnehmenden die folgenden Bedenken und Problemfaktoren:
Politik braucht am Ende eine mehrheitsfähige Lösung, was nicht zwingend die Lösung sein muss, welche wissenschaftlich am optimalsten wäre (sofern sich dies überhaupt feststellen lässt).
Politik darf Fakten nicht selektiv aufnehmen
Wissenschaft muss sich der Gefahr der Instrumentalisierung bewusst sein.
Es braucht eine klare Rollenverteilung, auf welche sich die Beteiligten einigen: wer bewertet, wer liefert Fakten und wo wird die Grenze gezogen?
Der aktuelle Stand des Austausches
Anschliessend fand in zwei durchmischten Gruppen (jeweils mit Vertreter*innen aus Wissenschaft und Politik) ein Austausch über persönliche Erfahrungen statt, um den aktuellen Stand der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik zu erfassen. Die persönlichen Erfahrungen der Teilnehmenden waren dabei gemischt; es herrschte jedoch Einigkeit, dass das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik in der jüngeren Vergangenheit schwieriger wurde. Wie bei anderen Entwicklungen wurde auch hier Corona als Trend-Beschleuniger genannt. So konstatieren die Teilnehmenden ein zunehmendes Auseinanderdriften und eine Veränderung des Rollenverständnisses auf beiden Seiten. Insbesondere wird die Wissenschaft als aktivistischer wahrgenommen, was bei der Politik auf wenig Verständnis stösst. Erwähnt wurde von einigen Teilnehmenden, dass die Erwartungen der Politik an die Wissenschaften bisweilen unrealistisch seien und sich dadurch die Gefahr einer absichtlichen oder unabsichtlichen Instrumentalisierung ergebe. Insbesondere wurde während Corona klar, dass die Gleichzeitigkeit von aktueller Forschung, Synthese und Schlussfolgerungen (auf wissenschaftlicher Seite) sowie Interpretation, Positionierung und Gesetzgebung (auf politischer Seite) sämtliche Stärken und Schwächen dieses Austausches hervorgebracht hat.
Integration der Wissenschaft in den politischen Prozess
Das Ergebnis des politischen Prozesses ist häufig die Anpassung oder Schaffung eines Gesetzes. Dabei kann einerseits aus der Wissenschaft der Impuls für politisches Handeln kommen, wenn z.B. durch statistische Erhebungen gesellschaftliche Entwicklungen sichtbar werden, welche eine politische Antwort erfordern. Andererseits kann auch die Politik festlegen, dass es ein Problem gibt, dem sie sich annehmen möchte und ob dieses Problem über eine wissenschaftliche Komponente verfügt.
Sodann hielten die Teilnehmenden fest, dass der institutionalisierte politische Prozess in der Schweiz viele Möglichkeiten für wissenschaftliche Inputs bietet: von Vernehmlassungsverfahren über informelle und formelle Konsultationen bis zu Anhörungen von Arbeitsgruppen- und Kommissionssitzungen. Deshalb favorisieren die Teilnehmenden eine bessere Integration wissenschaftlicher Inputs in bestehende Prozesse, statt zahlreiche neue Parallelgefässe zu kreieren. Relevant wird insbesondere die Antwort auf die Frage sein, wie wissenschaftliche Expertise bei zeitkritischen Fragen stärker in den bestehenden politischen Beratungsprozess eingebunden werden kann, ohne die demokratische Mitsprache einzuschränken.
Potenzial für Verbesserungen
Bereits während der Diskussion erarbeiteten die Teilnehmenden Vorschläge zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik.
Institutionalisierter Austausch statt ad-hoc-Auswahl
Als Basis braucht es laut den Teilnehmenden eine gemeinsame Vorstellung davon, nach welchen Kriterien Wissenschaftler*innen und wissenschaftliche Organisationen auf verschiedenen Ebenen eingebunden werden sollen. Problematisch am aktuellen System erachteten die Teilnehmenden, dass bei Äusserungen von Wissenschaftler*innen oft keine Klarheit besteht, ob sie sich als Individuum oder als Vertreter*in ihrer Institution äussern. Idealerweise kommen wir weg von einem Modell der ad-hoc-Auswahl wissenschaftlicher Expertise durch die Politik hin zu einem System, in dem Wissenschaft und Politik nachvollziehbare Kriterien zur Auswahl aufstellen. Basierend auf diesen Kriterien können wissenschaftliche Organisationen Expert*innen für die politische Beratung eigenständig vorschlagen. Im Vergleich zur ad-hoc Auswahl von Expert*innen stärkt dieser Ansatz die wissenschaftliche Unabhängigkeit und Transparenz, da die Auswahl auf vordefinierten Kriterien basiert. Vorschläge zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik sind schon in Bearbeitung (z.B. durch die Bundeskanzlei) oder reflektiert im Gesetzgebungsprozess (wie der Vorstoss Michel oder der Vorstoss Rytz).
Koordination innerhalb der Wissenschaft
Verbesserungspotenzial herrscht gemäss den Teilnehmenden auch bei der Koordination zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Organisationen. Idealerweise sollte das institutionelle Zusammenspiel so gestaltet sein, dass die für die Beantwortung von Fragen am besten geeignete Institution zum Zug kommt bzw. dass mehrere Institutionen möglichst komplementär zusammenarbeiten. Um den Wissenschaftsstandort Schweiz zu fördern, müssten gegenüber heute durch bessere Koordination Doppelspurigkeiten minimiert und die Zusammenarbeit gefördert werden. Auch bei der Frage der Politikberatung sollten wissenschaftliche Institutionen ein allfälliges «Gärtchendenken» ablegen.
Das Taskforce-Format
Da während Corona konkrete Erfahrungen mit der Zusammenarbeit in einer Taskforce gesammelt werden konnten, erarbeiteten die Teilnehmenden auch Empfehlungen für die Verbesserung dieses Formats. Beim Zusammenarbeiten von Wissenschaft und Politik sollen von Beginn an klare Bedingungen und Rollenteilungen (insbesondere die Kommunikation mit der Öffentlichkeit) definiert werden. Eine Mehrheit der Teilnehmenden favorisiert dabei die Wissenschaft als Lieferantin von faktenbasierten Einordnungen und Entscheidungsgrundlagen, und einer Zurückhaltung bezüglich persönlicher politischer Empfehlungen und dem Suchen des Rampenlichts.
In einer möglichen Umsetzung legt die Politik den groben normativen Rahmen fest. Eine gemeinsame Delegation aus Wissenschaft und Politik verfeinert diesen und versucht, die wissenschaftlichen von den politischen Fragen zu trennen. In einem nächsten Schritt wird die Taskforce gebildet und kümmert sich ausschliesslich um die wissenschaftlichen Fragen. Diese werden so aufbereitet, dass die Politik mit diesen Inputs arbeiten kann.
Zwischenfazit der Teilnehmenden zum aktuellen Stand ist: Es gibt viele bestehende Möglichkeiten für die Wissenschaft, sich in den politischen Prozess einzubringen. Diese sind jedoch mit Aufwand verbunden und der Ertrag bleibt oft unklar.
Teil II: Ideenentwicklung des Franxini-Teams
Zusätzlich zu den diskutierten Punkten schlägt das Franxini-Team auf Basis des Fireside-Chats und weiteren bisherigen Anlässen folgende Ansätze zur Verbesserung des Austauschs zwischen Wissenschaft und Politik vor.
Ansatz 1: Science-Policy-Interface an wissenschaftlichen Institutionen
Ein Science-Policy-Interface (SPI) ist eine an einer wissenschaftlichen Institution (z.B. Universität) angesiedelte Stelle zur Aufbereitung und Vermittlung wissenschaftlicher Expertise für den politischen Prozess. Es hat die Aufgabe als Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft zu interagieren. Indem es über verschiedene Disziplinen hinweg koordiniert, stellt es die politische Beratungstätigkeit von Forschenden einer Institutionen auf eine breit abgestützte Basis.
Eine erfolgreiche Etablierung des Science-Policy-Interfaces würde die folgenden Konsequenzen haben:
Wissenschaftlicher Input zum politischen Prozess erfolgt zielgruppengerecht: je nach Zielgruppe, z.B. Bevölkerung oder Legislative, kann die wissenschaftliche Expertise unterschiedlich kommuniziert werden. Das SPI kann Forschenden zudem helfen, Daten für die Politik aufzubereiten, welche dann in den politischen Diskurs einfliessen können.
Das SPI entlastet die Forschenden als Individuen, führt zu weniger Willkür bei der Expert*innenauswahl und zu mehr Professionalisierung, was wiederum das Vertrauen stärken kann. Zudem kann durch ein SPI klarer kommuniziert werden, welche Positionen Forschende als Individuen und welche als Vertreter*innen ihrer Institutionen vertreten.
Beidseitige Vorteile: das SPI vereinfacht nicht nur der Politik das Leben, sondern bietet auch Orientierung für Forschende, welche sich in den politischen Prozess einbringen möchten.
Konkret könnte das SPI wie folgt funktionieren:
Fall 1: Politik braucht Input oder Expertise zu einem bestimmten Thema. Dabei kann das SPI den Kontakt zu Forschenden vermitteln und den Austausch konzeptuell und methodisch unterstützen.
Fall 2: Das SPI schult und unterstützt Forschende in zielgruppengerechter Kommunikation und stellt Weiterbildungsressourcen dafür bereit. Dabei kann auf bestehenden Institutionen wie z.B. dem Center for Reproducible Science and der Universität Zürich aufgebaut werden. Das SPI leistet einen Mehrwert durch die Koordination, Sammlung und Kanalisierung bestehenden Wissens. So kann das SPI zu einem Kompetenzzentrum zur Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse an die Politik werden.
Zur Etablierung des SPI gilt es jedoch einige offene Fragen zu beantworten und Herausforderungen zu meistern:
Bei der Expert*innenauswahl muss im Voraus definiert werden, anhand welcher Kriterien welche Art von Expertise gegeben wird.
Je nach Funktionsweise des SPI geht dieses aktiv auf die Politik zu oder wartet konkrete Anfragen ab.
Für die Politiker*innen muss klar ersichtlich sein, wann Forschende ihre individuelle Meinung kundtun und wann sie die Position einer Institution vertreten. In politischen Fragen geben Forschende ihre Expertise vielfach als Einzelpersonen kund, werden dabei jedoch oft als Vertreter*innen ihrer Institutionen wahrgenommen.
Die wissenschaftliche Institution muss in Absprache mit Forschenden klären, welche Fachbereiche erfolgreich in ein SPI integriert werden können.
Da die Erwartungen der Politik am Output möglicherweise den Rahmen des tatsächlich Lieferbaren von Seiten der Wissenschaft übersteigen, müssen Machbares und Limitationen klar kommuniziert werden.
Die Zusammenarbeit zwischen SPI verschiedener wissenschaftlicher Institutionen sollte - insbesondere in der kleinräumigen Schweiz - möglichst komplementär ausgestaltet sein, sodass die unterschiedlichen Forschungsstärken optimal zur Geltung kommen.
Zur Etablierung eines SPI an einer Universität können Organisationen aus dem In- und Ausland als Beispiele und/oder Grundlagen verwendet werden. Erwähnenswert sind hierbei insbesondere:
das «Winton Center for Risk and Evidence Communication» der Cambridge University in Grossbritannien
das «Consortium for Science, Policy & Outcome» der Arizona State University in den USA
das «Geneva Science Policy Interface» in Genf
das «Institute of Science, Policy and Technology» der ETH Zürich
das «Swiss Learning Health System» der Universität Luzern
das «Kompetenzzentrum für Public Management» der Universität Bern
Verschiedene Universitäten unterhalten zudem spezialisierte Studiengänge, die als Nukleus zur Entwicklung eines SPI dienen können. So bieten beispielsweise die Universität Zürich, die ETH Zürich und die Universität Basel gemeinsam ein Doktoratsprogramm in Science & Policy an.
Ansatz 2: Kontinuierliches Engagement im Gesetzgebungsprozess
Anstatt erst im Krisenfall einen intensiven Austausch zwischen Politik und Wissenschaft zu suchen, sollte ein kontinuierliches wissenschaftliches Engagement im Gesetzgebungsprozess angestrebt werden. Zu einem bestimmten Grad ist dies in der Schweiz mit der hohen Wissenschaftsvertretung in der Verwaltung bereits gegeben. Doch auch auf Ebene der Legislative ist die aktive Einbindung wissenschaftlicher Expertise erstrebenswert, um effektive Entscheide zu gewährleisten.
Denkt man an die bestehenden Möglichkeiten, sich in den gesetzgeberischen Ablauf einzubringen, so wäre ein Engagement der Wissenschaft von Beginn an wünschenswert. Dies, da der Prozess mit fortschreitendem Stadium immer politischer wird. Die Wissenschaft kann alternativ das Ergebnis des Gesetzgebungsprozesses kritisch hinterfragen und evaluieren, was die Konsequenzen bestimmter politischer Entscheidungen waren. Diese Art der Evaluation und der wissenschaftliche Beitrag zum Gesetzgebungsprozess ist im angelsächsischen Raum ebenfalls verbreitet. Erwähnenswert sind hierbei unter anderem der «Congressional Research Service» in den USA und das «What Works Network» in Grossbritannien. Die Wissenschaft kann somit Grundlagen für den gesetzgeberischen Prozess liefern und die Politik in der Nachbearbeitung und Evaluation unterstützen. Die Hauptaufgabe der involvierten Wissenschaftler*innen liegt dabei in erster Linie im Aufbereiten von Fakten für Gesetzgebungs- und Exekutivprozesse in Form wissenschaftlicher Politikberatung.
Daneben gibt es immer wieder gesamtgesellschaftliche Fragen, die politisch und öffentlich verhandelt werden und bei denen sich Wissenschaftler*innen immer häufiger nicht nur als Berater*innen, sondern als politische Akteur*innen mit eigenen Forderungen an die Politik exponieren. Erwähnenswerte Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind in diesem Zusammenhang das Engagement von Forschenden gegen die Verlängerung des Gentech-Moratoriums, der Einsatz von Forschenden für das CO2-Gesetz sowie die Vielzahl von öffentlichen Stellungnahmen, Empfehlungen und Forderungen von Forschenden im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Solche Engagements sind demokratisch legitim und wünschenswert, bergen aber auch die Gefahr, dass die Grenzen zwischen wissenschaftlicher und politischer Tätigkeit verwischen. Wir regen deshalb an, die Richtlinien für die wissenschaftliche Politikberatung zu aktualisieren und um den Aspekt der politischen Tätigkeit von Wissenschaftler*innen zu ergänzen (die Richtlinien wurden 2011 von den Schweizer Akademien der Wissenschaften herausgegeben). Insbesondere ist bei Aussagen von Wissenschaftler*innen eine klare Deklaration wünschenswert, wann diese als Individuen und wann als Vertreter*innen ihrer Institution sprechen.
Ein kontinuierliches Engagement ist trotz diesen Herausforderungen eine Möglichkeit, Vertrauen zwischen Politik und Wissenschaft zu schaffen. Es schafft Zeit zum Einspielen von Prozessen und Erwartungen, was die Koordination und Zusammenarbeit bei Krisen erleichtert.
Ansatz 3: Bessere Anreizstrukturen und Angebote für Wissenschaftler*innen, die in wissenschaftlicher Politikberatung tätig sind
Die stärkere Einbindung von Forschenden in die politische Beratung bedingt, dass diese die entsprechenden Kompetenzen und zeitlichen Ressourcen dazu haben. Zurzeit fehlt es im akademischen System jedoch weitgehend an den dafür notwendigen Anreizstrukturen. Insbesondere junge Forschende, aber auch etablierte Wissenschaftler*innen beklagen, dass das Einbringen wissenschaftlicher Expertise in die Politik auf Kosten anderer Engagements geht, die für die akademische Karriere höher gewichtet werden. So wird wissenschaftliche Politikberatung - und ist sie noch so exzellent - bei der Vergabe akademischer Positionen kaum gewürdigt. Dies sorgt dafür, dass Forschende oftmals erst dann die Freiheiten haben, sich in den Beratungsprozess einbringen zu können, wenn ihre Karriere schon weit fortgeschritten ist. Und da sie zuvor oftmals wenige Berührungspunkte mit der Politik hatten, müssen sie sich die Kompetenzen für wissenschaftliche Politikberatung oftmals erst aneignen.
Wir schlagen deshalb vor, die akademischen Anreizstrukturen für Wissenschaftler*innen so anzupassen, dass exzellente Arbeit im Rahmen wissenschaftlicher Politikberatung bei der Vergabe von Forschungspositionen und Fördergeldern gewürdigt wird. Wichtig ist hier die klare Definition von entsprechenden Kriterien mit bedarfsgerechter Anpassung an das Forschungsgebiet.
Ausserdem braucht es einen Ausbau von Angeboten, welche Forschenden verschiedener Karrierestufen die Möglichkeit geben, neben ihrer Forschung Kompetenzen im Bereich der wissenschaftlichen Politikberatung aufzubauen. Dieses Angebote sollen ergänzt werden durch erweiterte Forschung zur Frage, was gute Politikberatung überhaupt ausmacht. Diese Forschung könnte in einem nächsten Schritt dazu verwendet werden, um Politikberatung in die Grundausbildung und in die Frühbildung von Forschenden einfliessen zu lassen.
Schliesslich muss auf Seiten der Politik klar sein, dass wissenschaftliche Politikberatung nicht von allen Forschenden verlangt werden kann und soll. Der primäre gesellschaftliche Auftrag wissenschaftlicher Forschung ist das Schaffen von neuem Wissen. Der Transfer dieses Wissens in die Politik ist als zusätzliche Aufgabe zu betrachten und benötigt genügend zeitliche und personelle Ressourcen, um erfolgreich zu sein. Es braucht deshalb wohl dezidierte Stellen, um den Koordinationsaufwand zu reduzieren und qualitativ hochstehende Inhalte zur Verfügung stellen zu können.
Autor*innen & Mitwirkende
Nicolas Zahn (NZ) leitet den Polity Hive des Franxini-Projekts. Er arbeitet als Senior-Projektleiter bei der Swiss Digital Initiative und befasst sich intensiv mit den gesellschaftlichen Auswirkungen des technologischen Fortschritts und der digitalen Transformation.
Luca Schaufelberger (LS) wirkt beim Polity Hive des Franxini-Projekts mit und ist bei Reatch verantwortlich für den Themenbereich Energiewende. Er studiert im Master an der ETH Zürich Interdisziplinäre Naturwissenschaften mit Fokus Physik und Energie.
Servan L. Grüninger (SLG) ist Mit-Initiator des Franxini-Projekts und Präsident von Reatch. Er hat sein Studium mit Politikwissenschaften und Recht begonnen und mit Biostatistik und Computational Science abgeschlossen. Zurzeit doktoriert er am Institut für Mathematik der Universität Zürich in Biostatistik.
Anna Krebs (AK) ist Projektleiterin des Franxini-Projekts. Ihre Expertise liegt in Coaching, Prozessbegleitung und Soziale Innovation. Nebst strategischer Planung und Projektkoordination, begleitet sie mehrere Franxini-Anlässe methodologisch und leitet das Policy Innovation Hub Gefäss.
NZ und SLG haben das Konzept der Veranstaltung erstellt. AK und LS haben die Veranstaltung methodisch vorbereitet, geleitet und moderiert in Zusammenarbeit mit NZ und SLG. VWVP haben Inhalte, Ideen und kritische Anmerkungen im Laufe der Veranstaltung geliefert. NZ hat das Protokoll geführt und die Ergebnisse der Veranstaltung synthetisiert. NZ und LS haben den Text verfasst. SLG hat den Text ergänzt und redigiert.
Die Verantwortung für den Inhalt dieses Texts und insbesondere für die vorgeschlagenen Ansätze in Teil II liegt bei NZ, LS & SLG.
Über das Franxini-Projekt
Das Franxini-Projekt baut
Brücken zwischen Wissenschaft und Politik, indem es die
gesellschaftliche und politische Teilhabe von Wissenschaftler*innen
sowie das gegenseitige Verständnis und Vertrauen zwischen Politik und
Wissenschaften fördert. Forschende erhalten im direkten Kontakt mit
Entscheidungsträger*innen die Möglichkeit zu verstehen, von welcher Art
wissenschaftlicher Arbeit diese am meisten profitieren. Politiker*innen
lernen im persönlichen Umgang mit Forschenden die Funktion und
Funktionsweise wissenschaftlicher Arbeit besser kennen. Das
Franxini-Projekt bietet Weiterbildungsmodule, informative Publikationen,
ein Förderprogramm für Forschende und organisiert Dialog-und
Co-Creation-Anlässe.
Das Franxini-Projekt ist entstanden auf Initiative der wissenschaftlichen Ideenschmiede «Reatch! Research. Think. Change.» und wird unterstützt von der Stiftung Mercator, der Gebert Rüf Stiftung, der Universität Zürich, dem ETH Rat, der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz und weiteren Partnern. Mehr Informationen: www.franxini-projekt.ch
Kontakt: franxini@reatch.ch , Projektleitung: anna.krebs@reatch.ch
Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.
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