Heat

Wenn Hitze tötet

Hitzewellen werden bei fortschreitendem Klimawandel häufiger, intensiver und länger. Die Hitze führt vor allem bei der älteren Bevölkerung zu steigenden Todesfällen. Es ist Zeit für einen grünen Weg aus der Hitzekrise.

Besonders die Bevölkerung in der Stadt und Agglomeration leidet zunehmend unter Hitzewellen. Hitze ist eine Gefahr für unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit, steigenden Temperaturen korrelieren mit steigenden Todesfällen. Städte werden zu Hitzeinseln. Es ist Zeit für einen grünen Weg aus der Hitzekrise. Jedoch ist der Platz für mehr Grün in der Stadt begrenzt. Es braucht Zuschüsse, Subventionen oder weitere Unterstützungsformen für private Grünanlagen, um das vorhandene Potential zu nutzen. Auch über den Rechtsweg könnten konkrete Massnahmen für alle verbindlich gemacht werden.

Hitze als Belastung für die Gesundheit

Der vergangene Sommer war heiss – zu heiss. Gemäss dem BAFU dürften Hitzewellen bei fortschreitendem Klimawandel häufiger, intensiver und länger werden.[1] Neben schlechtem Schlaf und mangelnder Leistungsfähigkeit birgt die Hitze vor allem für die ältere Bevölkerung ein Risiko. Bereits bei vergangenen Hitzewellen z.B. 2003 oder 2015 war eine Korrelation zwischen steigenden Temperaturen und steigenden Todesfällen der ü. 65-jährigen zu beobachten.[2] 2022 weist erstmals eine Studie der Universität Bern nach, wie Hitze in der Schweiz zunehmend zu Übersterblichkeit führt.[3] Kurz gesagt, Hitze tötet. Mit dem voranschreitenden Klimawandel wird sich das Problem Hitze jedoch nur noch weiter verschärfen. Besonders in den Städten bilden sich sog. Hitzeinseln. Die Häuserfassaden und die versiegelten Flächen erwärmen sich tagsüber und geben die Wärme in der Nacht wieder ab. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch eine eingeschränkte Windzirkulation aufgrund dichter Bebauung, fehlender Beschattung und fehlenden Grünflächen sowie der Abwärme von Verkehr, Gebäuden und Industrie. Messungen haben ergeben, dass der Temperaturunterschied von Stadt zu Umland bis zu 10°C betragen kann.

Laut dem BAFU kann Hitze folgende Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit haben:[4]

  • Geringeres Wohlbefinden
  • Häufigere Erkrankungen und Todesfälle infolge Hitzewellen
  • Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atembeschwerden und -erkrankungen infolge erhöhter Ozonwerte (Sommersmog)
  • Geringere Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit am Arbeitsplatz

Der Ernst der Lage wurde bereits zum Teil erkannt. Ab Sommer 2021 warnt MeteoSchweiz die Bevölkerung bei einer bevorstehenden Hitzewelle. Vor einer Hitzewelle wird dann gesprochen, wenn mindestens drei Tage in Folge eine Tagesmitteltemperatur von 25°C oder höher erwartet wird.[5] Solche Warnungen und Verhaltensempfehlungen sind wichtig, sie werden uns in Zukunft jedoch nicht vor immer stärkeren Hitzewellen bewahren können. Die Wissenschaft ist mit Hochdruck daran, Lösungen zu finden. Mehr grün und blau statt grau ist hier das Credo. Ein vielversprechendes Phänomen nennt sich Verdunstungskühlung.

Diese und viele weitere Ideen werden in der Blogposts Reihe zum Reatch Ideenwettbewerb 2022 präsentiert.

Das Konzept der Verdunstungskühlung

Um der sengenden Sonne zu entkommen, setzt man sich in der Badi oder beim Mittagessen im Park unter einen Baum. Gleich viel kühler. Das liegt nicht nur am Schatten, sondern auch an der Verdunstungskühlung. Durch die Transpiration von Wasser über die Blattoberfläche kühlt der Baum aktiv seine Umgebung. Ein Effekt, welcher mit mehr Grünmasse umso grösser wird.

In den Köpfen der Leute ist angekommen, dass unsere Städte grüner werden müssen. Neben dem Pflanzen von Bäumen gibt es viele weitere Möglichkeiten, mehr Grün in unsere Umgebung zu bringen, sei es mit dem klassischen Blumenkasten, mit Fassadenbegrünungen oder Dachbegrünungen. Die Wissenschaft forscht seit Jahren daran, welche Baumarten das raue Stadtklima am besten überstehen oder welche Begrünungskonzepte einen vielversprechenden Erfolg bringen könnten. Die Aufgabe der Forschung ist es, basierend auf fundierten Daten die Richtung zukünftiger Massnahmen zu weisen.

Neben der Bestrebung, mehr Grün zu pflanzen, darf die Problematik der Versiegelung nicht vergessen werden. Auch unversiegelte, nichtbegrünte Flächen verdunsten Wasser und tragen damit zur Kühlung unserer Umgebung bei. Nur dort wo Wasser in den Boden gelangt, kann das Wasser über die Wurzeln von Pflanzen wieder aufgenommen und verdunstet werden. In unseren Städten ist der Versiegelungsgrad hoch. Plätze und Wege sind asphaltiert oder betoniert, das Wasser wird oberflächlich abgeleitet. Bei Starkregenereignissen kann es zu Überschwemmungen kommen, da das Wasser nirgendwo versickern kann. In Hitzeperioden fehlt dieses Wasser in den Städten zur Verdunstung. Ein Teufelskreis. Wir müssen aktiv beginnen, Flächen wieder zu entsiegeln, um den Wasserkreislauf zurück ins Lot zu bringen.

Die Stadt als Schnittpunkt der Interessen

In der Stadt und der Agglomeration treffen viele Interessen auf engem Raum zusammen. Nicht selten kommt es dadurch zu Nutzungs- und Interessenkonflikten. Besonders im Bereich der Raumplanung wird das angestrebte Verdichten und das freihalten von Grünflächen zum Balanceakt. Es sind Lösungen mit polyvalentem Nutzen gefragt.

Ein besonderes Augenmerk sollte auf das Erhalten und Neuerrichten von Luftkorridoren gelegt werden. Sie ermöglichen, dass die heisse Luft aus - und kühlere Luft in die Städte gelangen kann. Versperren Gebäude den Weg, ist die Luft gefangen und wir müssen uns mit einer weiteren Tropennacht abfinden. Für die Luftkorridore ist vor allem die optimale Ausrichtung der Verkehrsachsen von Bedeutung. Hier gilt es bei der Planung der Verkehrswege nicht nur den Verkehrsfluss, sondern auch das Stadtklima zu berücksichtigen.

Hitze
Hitze beeinträchtigt unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit; Quelle: Adobe Stock

Der grüne Weg

Für eine schnelle und erfolgreiche Umsetzung hitzereduzierender Massnahmen müssen alle - Bund, Kanton, Gemeinde und Bevölkerung- zusammenarbeiten. Der grösste Teil des Bodens in den Städten ist in Besitz von Privateigentümern. Dieser Boden hat ein riesiges Potential, welches genutzt werden könnte, um mittels der Verdunstungskühlung die Temperatur zu senken. Um die Leute abholen zu können, braucht es genauso wie bei der Energiewende für Photovoltaikanlagen auch für Grünanlagen Zuschüsse und Subventionen. Auch weitere Unterstützungsformen, beispielsweise eine Beratung für Pflegemassnahmen, wäre denkbar. Hierbei ist einzubeziehen, dass rund 80% der Kosten einer Grünanlage in der Pflegephase anfallen. Optimal gepflegte Grünanlagen sind vitaler und können dadurch einen grösseren Beitrag zur Kühlung leisten. Ein griffiges Konzept und gut ausgebildete Fachkräfte für die Pflege sind unerlässlich, damit die Begrünungsmassnahmen langfristig wirken.


Dachgrün
Synergieeffekte mit Dachgrün, Quelle: Optigrün (2010): Optigrün-Systemlösung „SolarGrünDach“. Wirtschaftliche Kombination Gründach und Photovoltaik. (https://www.bauberufe.eu/images/doks/SolarGruendach42010optigruen.pdf

Der Bund hat mit seiner «Strategie zur Anpassung an den Klimawandel» bereits wichtige Grundlagen geschaffen. Es ist Zeit, konkrete Massnahmen über den Rechtsweg für alle verbindlich zu machen. Beispielsweise könnte bei Um- und Neubauprojekten ein vorgeschriebener Prozentsatz unversiegelter Fläche oder eine Dachbegrünungspflicht auf allen Neubauten mit geeigneter Dachfläche realisiert werden. Ein Zielkonflikt mit der Förderung von Photovoltaik-Anlagen ist denkbar, jedoch sind Kombinationsanalgen mit Dachbegrünung und PV-Nutzung möglich. So genannte Solargründächer gibt es in verschiedenen Aufstellungsvariationen. [6] Neben den ökologischen und klimatischen Vorteilen durch das Dachgrün, kann die Verdunstungskälte der Pflanzen zudem auch eine Ertragssteigerung der PV-Module erzielen. Werden die «Standard Test Conditions» von 25°C überschritten, nimmt die Effizienz der PV-Module um 0.025% / °C ab.[7] In Sommermonaten können auf konventionellen Dächern Temperaturen von bis + 80°C auftreten. Gründächer hingegen liegen bei Werten von ca. + 30°C. Somit macht das Einbeziehen von Grün auf dem Dach nicht nur aus klimatischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen Sinn.

Der Aufwand zur Verringerung der Hitze wird sich für alle lohnen. Für besseren Schlaf, bessere Leistungsfähigkeit und weniger Todesfälle.

Auch dieses Jahr suchen wir im Rahmen des Ideenwettbewerbs wieder deine Ideen für die Zukunft!

Das Bewerbungsfenster für den diesjährigen Reatch Ideenwettbewerb ist geöffnet und wir suchen Ideen, wie die Wissenschaften mit der Politik, der Wirtschaft oder der Zivilgesellschaft in den nächsten 175 Jahren gemeinsam Herausforderungen unserer Gesellschaft meistern können.

Alle Informationen zum Ideenwettbewerb 2023 findest du hier.

Literatur

[2]

Bundesamt für Statistik (2022): Wöchentliche Todesfälle, 2010-2022 (https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/sterblichkeit-todesursachen.html)

[3]

De Schrijver, D. et al (2022): Nationwide Analysis of the Heat- and Cold Related Mortality Trends in Switzerland between 1969 and 2017: The Role of Population Aging (https://ehp.niehs.nih.gov/doi/10.1289/EHP9835)

[6]

Petschnig, C. (2021): Solargründächer: die zukünftige Kombinationsbauweise von Dachbegrünung und Photovoltaikanlagen als urbane Klimaanpassungsmaßnahme? (https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/6982328)

[7]

Ubertini, S., Desideri, U. (2003): Performance estimatiion and experimental measurements of a photovoltaic roof (https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0960148103000739)

Dieser Text ist im Rahmen des Reatch Ideenwettbewerbs entstanden. Um die Krisen von morgen zu meistern, brauchen wir als Gesellschaft Vorstellungsvielfalt als Rüstzeug. Dafür notwendig ist ein gemeinsames Verständnis, aber auch konkrete Ideen und Ansätze, wie Probleme angegangen und gelöst werden können. Dieses Ziel verfolgt der Reatch Ideenwettbewerb. Im Rahmen davon, haben wir nach Ideen gesucht, wie die Wissenschaften zusammen mit Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft die Krisen von morgen meistern können. Denn eine enge und konstruktive Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren ist entscheidend, damit wissenschaftliche Erkenntnisse auch Eingang in politische und gesellschaftliche Lösungen finden. Der Ideenwettbewerb wurde u.a. unterstützt durch die Stiftung Mercator Schweiz, die Gebert Rüf Stiftung und den Schweizerischen Nationalfonds (SNF).

Das Franxini-Projekt: Wir wollen eine Gesellschaft, in der Akteure aus Wissenschaften und Politik zusammenarbeiten, um gesellschaftliche Herausforderungen effektiv zu bewältigen. Dank dem politischen Engagement von Forschenden aus allen Fachrichtungen tragen wissenschaftlich fundierte Ideen zu effektiven Lösungen bei, von denen die ganze Gesellschaft profitiert.

Das Franxini-Projekt ist entstanden auf Initiative der wissenschaftlichen Ideenschmiede «Reatch! Research. Think. Change.» und wird unterstützt von einer Reihe von renommierten Persönlichkeiten aus Wissenschaften, Politik und Gesellschaft und wird gefördert von der Stiftung Mercator, der Gebert Rüf Stiftung, der cogito foundation, der Universität Zürich, dem ETH Rat, der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz und weiteren Partnern.

Autor*innen

Sabrina Burkhard studiert Umweltingenieurwesen mit Vertiefung in Urbane Ökosysteme an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil. Sie ist fest davon überzeugt, dass die Städte der Zukunft grüner werden müssen, um Hitzewellen und Starkregenereignisse besser abfedern zu können.

Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.

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