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Universitäten im medialen Zwielicht

Die Uni-Proteste dominieren zurzeit die Berichterstattung über die öffentliche Debatte zum Krieg im Nahen Osten. Doch das berechtigte Interesse vermischt sich zu oft mit einer Denkfaulheit, die ihresgleichen sucht. Sind Universitäten und intellektuelle Auseinandersetzungen, die dort stattfinden, nur dann medial von Interesse, wenn sie in bildstarke Konflikte umschlagen?

Was sich derzeit an den Hochschulen abspielt, ist bezeichnend für den bedenklichen Zerfall von demokratischen, rechtsstaatlichen und wissenschaftlichen Prinzipien. Die Universität, der gesellschaftliche Leuchtturm freier Forschung, Lehre und Debatte, hat ihre Strahlkraft verloren, weil sie ihre Grundwerte verrät und sich auf die Seite der Ungerechtigkeit stellt. Im Zwielicht, das sich ausbreitet, ist nicht nur der Untergang der Universität, sondern der ganzen westlichen Zivilisation eingezeichnet. Soweit die erstaunliche Einigkeit zwischen jenen, welche die Gaza-Proteste an den Universitäten verteidigen, und jenen, die sie kritisieren.

Betreten schaut man derzeit zu, wie Krawallfeuilletonisten und Schreibtischaktivisten auf dem Buckel der Universitäten die Zukunft des Abendlandes verhandeln: Wer die Uni-Proteste toleriert, fördert die «Selbstzersetzung des Westens», wer sie auflöst, «ebnet den Weg zum Autoritarismus». Für jeden lässt sich ein passender Untergang finden. Es zählt nicht, was real gesagt oder getan wird, sondern nur noch das, was eine möglichst grosse Kontroverse auslöst. Jede Aussage, jede Geste, jede Auslassung wird dahingehend untersucht, ob sie sich für eine polarisierende Schlagzeile eignet.

Als Beobachter des medialen Spektakels kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Berichterstattung nicht getrieben ist vom Wunsch, eine kritische Auseinandersetzung zu ermöglichen. Stattdessen werden – der Logik einer boulevardesken Seifenoper folgend – einem krakeelenden Publikum häppchenweise jene Aufreger zugeführt, die es sich von den algorithmisch kuratierten Empörungsspiralen gewohnt ist. Kein Wunder, geht es immer aufs Ganze. Es ist ein symbiotischer Teufelskreis, den Medien und Aktivist:innen, nicht nur bei den Gaza-Protesten, gekonnt in Gang halten. Es braucht stets etwas, das Widerspruch auslöst, denn dieser Widerspruch sorgt für die nötige Kontroverse, um daraus eine reisserische Geschichte zu machen. Oft verhilft so erst die medial verstärkte Kritik einem Anliegen zu jener gesamtgesellschaftlichen Resonanz, die es überhaupt berichtenswert macht.

In der Berichterstattung über die Universitätsproteste zeigen sich die Hitzeschübe jener «medialen Malaria», die Daniel Strassberg vor nicht allzu langer Zeit diagnostiziert hatte: «Was keine Erregung zu produzieren vermag, bleibt unter dem Radar.» Das Tragische ist, dass so auch jene, die dagegen anreden und anschreiben wollen, den polarisierten Raum annehmen, sich darin verorten und die Polarisierung bis zu einem gewissen Grad mittragen müssen – und sei es nur in Abgrenzung dazu –, wenn sie medial gehört werden wollen. Damit ist die Berichterstattung zu den Gaza-Protesten symptomatisch dafür, dass Universitäten nur dann medial interessant werden, wenn sie Bombastisches zu bieten haben. Man muss schon die Rettung der Welt oder aber ihre Zerstörung anbieten, um Wissenschaft medial Gehör verschaffen zu können. Wer sich dem aktiv verweigert und Debatten führen will, an deren Anfang weder moralischer Bekenntniszwang noch politische Feindbilder stehen, muss sich andere Räume suchen. Räume, die es gerade, aber nicht nur an einer Universität gibt, die aber medial inexistent sind, weil die nuancierten Diskussionen, die dort geführt werden, schulterzuckend ignoriert oder als «abgehoben» diffamiert werden. Über 500 Personen, die an der Universität Lausanne an einer öffentlichen Vorlesung zu den Hintergründen des Israel-Gaza-Konflikts teilnehmen? Kein mediales Wort dazu jenseits der innerschweizerischen Sprachgrenze. Eine kontroverse, aber differenzierte Debatte zum Postkolonialismus an der Universität Basel mit über 350 Zuschauer:innen? Bloss vom Basler Lokalmedium «Bajour» aufgegriffen. Wenn sich hingegen eine Handvoll Leute im Lichthof der Universität Zürich oder im Eingang der ETH Zürich mit Palästina-Transparenten auf den Boden setzt, sind die Medien sofort zur Stelle, um daraus eine nationale Geschichte zu machen. So bekommen die Medienkonsument:innen schnell den Eindruck, das undifferenzierte Aufeinanderprallen von Meinungen sei die universitäre Norm und nicht die Ausnahme.

Das Zwielicht, das die Universitäten erfasst zu haben scheint, ist somit auch medial geschaffen und die einsetzende Dämmerung sagt weniger über den Zustand der Hochschulen als über jenen der Medien aus. Medien, die nicht selten mit Geringschätzung auf die sozialen Netzwerke schauen, sich aber selbst längst dem Diktat der algorithmisch beförderten Erregungsökonomie unterworfen haben. Wenn sich die Verfasser intellektuell verbrämter Texte im Feuilleton bisweilen so denkfaul zeigen wie trollende Shitposter auf Twitter, bleibt vom Anspruch, Qualitätsmedium zu sein, nicht mehr viel übrig.

Je polarisierter die Debatte, desto wichtiger wäre es gerade für die Medien, die angegriffenen Schranken des demokratisch Sag- und Tragbaren zu begründen, statt sie mit kurzfristigem Blick auf die Klicks ins Unsägliche zu verschieben. Die Universitäten tun derweil gut daran, sich weder von Aktivist:innen noch von Journalist:innen zum politischen Spielball machen zu lassen, sondern offene Diskursräume gegen alle zu verteidigen, die diese zu ihren Gunsten einschränken wollen. Gleichzeitig brauchen wir eine (mediale) Öffentlichkeit, die Differenziertheit erträgt. Das ist anstrengend, das braucht Zeit, das ist undankbar. Schliesslich muss man nicht nur darum kämpfen, im polarisierten Geschrei überhaupt zu Wort zu kommen, sondern darf – wenn man einmal gehört wird – von beiden Polen Kritik einstecken, wenn man nicht genau das tut, was lauthals gefordert wird. Diese Erfahrung musste auch Julia von Blumenthal, Präsidentin der Humboldt-Universität in Berlin, machen. Sie hatte auf die Besetzung ihrer Universität mit strenger Besonnenheit reagiert und vor der Räumung einen ernsthaften, wenn auch letztlich fruchtlosen Dialogversuch unternommen. Zum Dank wird sie nun von den einen für die Räumung, von den anderen für deren Verzögerung kritisiert. Nur in einem sind sich die vielen Schreier von der Seitenlinie offenbar einig: Was sich derzeit an den Hochschulen abspielt, ist bezeichnend für den bedenklichen Zerfall von demokratischen, rechtsstaatlichen und wissenschaftlichen Prinzipien.

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Das Verhältnis von Wissenschaft und Medien spielt auch eine zentrale Rolle bei den Reatch Thesen für eine wissenschaftsfreundliche Kultur. Anlässlich des 10-Jahre-Jubiläums von Reatch wollen wir eine Debatte darüber führen, welche Rolle Wissenschaft in unserer Gesellschaft spielt, spielen kann und spielen soll. Eine Debatte, die auf unterschiedlichen Plattformen, aus verschiedenen Perspektiven und durch verschiedene Kanäle geführt wird. Die nachfolgenden Thesen sollen Ausgangspunkt, aber nicht Endpunkt dieser Debatte sein.

Im Zeitraum 2024-2025 werden mehrere öffentliche Veranstaltungen zum Thema unter Mitwirkung von Vertreter*innen aus Wissenschaft, Politik und Medien stattfinden.

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Präsidium, Fundraising

Servan Grüninger ist Mitgründer und Präsident von Reatch. Er hat sein Studium mit Politikwissenschaften und Recht begonnen und mit Biostatistik und Computational Science abgeschlossen. Zurzeit doktoriert er am Institut für Mathematik der Universität Zürich in Biostatistik. Weitere Informationen: www.servangrueninger.ch.

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Olga Baranova ist Geschäftsleiterin von CH++, einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die sich für mehr Handlungsfähigkeit der Schweiz durch Wissenschaft und Technologie einsetzt. Gleichzeitig ist sie in medienpolitischen Organisationen tätig, unter anderem im Verlegerverband VMZ.

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