Kontroverse um die Genom-Editierung Technologie: Öffentlichkeit muss einbezogen werden!

Im Jahr 2018 hat der chinesische Forscher Dr. He Jiankui die ersten CRIPRS-Genom-editierten Babys hervorgebracht. Diese Technik wirft viele ethische Fragen auf.

Stellen Sie sich vor, dass Eltern einen Genetiker aufzusuchen könnten, um genetic fixes für ihr ungeborenes Kind zu besprechen. Das ist keine dystopische Fantasie. Es ist heute möglich, die Technologie ist griffbereit.

Tatsächlich ist dies bereits geschehen. Im Jahr 2018 hat der chinesische Forscher Dr. He Jiankui die ersten CRIPRS-Genom-editierten Babys hervorgebracht, Zwillingsmädchen namens Lulu und Nana and ein Jahr später Amy. Genom-Editierung ist eine Art Gentechnik, bei der DNA-Sequenzen sehr einfach gelöscht und eingefügt, verändert und ersetzt werden. Das Genmaterial künftiger Generation wird bei der Keimbahn Genom-Editierung verändert. Diese Technik wirft so viele ethische Fragen auf, und doch drängen die Befürworter*innen darauf, dass die klinische Anwendung des Keimbahn Genom-Editierung genehmigt wird.

Eine breite, öffentliche Debatte über die Genom-Editierung hat noch nicht stattgefunden. Eigentlich wird diese neue Genom-Editierung von der Öffentlichkeit gar noch nicht als Problem wahrgenommen. Die Öffentlichkeit sollte nicht nur davon wissen, sondern auch darüber debattieren. Es ist wichtig, die Genom-Editierung Debatte nicht nur den Wissenschaftler*innen zu überlassen, sondern auch die Öffentlichkeit in die Debatten einzubeziehen. Damit eine stärkere Interaktion stattfinden kann, müsste umfassende Informationen über Gene-Editierung für die Öffentlichkeit bereitstehen.

Am 6.-8. März 2023 fand in London das dritte International Summit on Human Genome Editing statt. (Das erste war in 2015, und das zweite in 2018.) Bei diesem Kongress wurden vor allem Vorteile von der Genom-Editierung Technologie durchleuchtet. Die Vorträge des Summits zeigen dann auch, dass somit eine Gelegenheit zur Lobbyarbeit zu Gunsten der Einführung der Keimbahn Genom-Editierung wahrgenommen wurde. Die Abschlussworte von dem Kongressorganisator Robin Lovell-Badge waren, dass die klinische Anwendung der Keimbahn - also vererbbare Genom-Editierung zum jetzigen Zeitpunkt inakzeptabel wäre, und dass wir öffentliche Diskussionen und politische Debatten bräuchten, um zu klären, ob wir diese Keimbahn Genom-Editierung überhaupt wollen. Das steht im Widerspruch zu dem, wenn man weiss, dass Robin Lovell-Badge Vorsitzender des Organisationskomitees ist, das versucht in Großbritannien die Gesetzgebung zu ändern, um das Verbot zur Keimbahn Genom-Editierung aufzuheben.

Parallel wollten einige weitere Kongresse Stimmen zu Wort kommen lassen, die Keimbahn Genom-Editierung von der Sicht der Menschenrechte, Generationengerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit betrachten. Ein Kongress wurde vom Centre for Genetics and Society (27.-28.02.2023) organisiert. Ein weiterer internationaler Kongress "Heritable Genome Editing and Equality" (3.-4.03.2023) fand am Centre of Bioethics & Emerging Technologies der St. Mary's University Twickenham in Zusammenarbeit mit dem Scottish Council on Human Bioethics statt. Dann wurde eine Internationale Deklaration gegen die Legalisierung von vererbbaren gentechnischen Veränderungen von Menschen gemeinsam aufgesetzt von den Organisation Stop Designer Babies (UK), Alliance for Humane Biotechnology(USA), Gen-ethisches Netzwerk (Germany), GeneEthics (Australia). Dies ist eine Aufforderung an die UNO, dass sie die Keimbahn (vererbbare) Genom-Editierung und Klonen von Menschen fortwirkend verbietet.

Was ist Genom-Editierung?

Es gibt zwei Arten des Genome Editing. Das Somatische Genom-Editierung und das Keimbahn Genom-Editierung.

  1. Das somatische Genom-Editierung wird in den somatischen, also nicht reproduktiven Zellen durchgeführt und kann zur Behandlung von Krankheiten beitragen. Ein Beispiel ist die CRISPR-basierte somatische Genom-Editierung zur Behandlung der Sichelzellenanämie von Vertex Pharmaceutical. Es ist eine einmalige Dosis und sehr teuer ($1.9Mio). Diese Behandlung sollte im Laufe dieses Jahres von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) offiziell zugelassen werden. Die Behandlung der Sichelzellenanämie wäre dann die erste zugelassene somatische Genom-Editierungstherapie. Inzwischen befinden sich fast 300 experimentelle Gentherapien in klinischen Tests, wie zum Beispiel zur Behandlung von Krankheiten wie Duchenne-Muskeldystrophie, Krebs, HIV/AIDS, Herz- und Muskelkrankheiten und angeborenen Immunstörungen. Die durch die somatische Genomtherapie vorgenommenen Veränderungen werden nicht an künftige Generationen vererbt.
  2. Die Keimbahn Genom-Editierung wird an einem Embryo im Frühstadium (bevor es überhaupt Embryo genannt wird) oder an Keimzellen (Spermien und Eizellen) vorgenommen. Diese Veränderungen betreffen alle Zellen des potenziellen künftigen Kindes und werden auch an künftige Generationen weitergegeben.

Genom-Editierung wird von den Befürworter*innen als Plattformtechnologie dargestellt. Da die somatische Genom-Editierung als medizinisch soweit „sicher“ gilt, soll es die Keimbahn Genom-Editierung ja auch sein.

Diese und viele weitere Ideen werden in der Blogposts Reihe zum Reatch Ideenwettbewerb 2022 präsentiert.

Was könnte Gen-Manipulierung überhaupt?

Die Keimbahn Genom-Editierung würde dazu dienen, genetische "Defekte" oder "Variationen" zu beheben, die seltene Krankheiten verursachen. Das Hauptargument für diese Technologie ist, dass damit die Übertragung von Erbkrankheiten von einer Generation auf die andere verhindert werden kann. Es scheint eine Instrumentalisierung von Menschen mit Behinderungen stattzufinden. Die Befürworter*innen des Genom-Editierung verwenden "Verhinderung von Behinderung" als Konzept, das sich mit der Art und Weise deckt, wie Menschen mit Behinderungen in der Regel dargestellt und gesehen werden.

Aber die Keimbahn Genom-Editierung würde nicht nur der Behandlung oder Vorbeugung von Erbkrankheiten werden, es könnte auch verwendet werden, um Embryonen mit verändertem Genom zu erzeugen. Die Technologie des Keimbahn Genom-Editierung könnte sich also auf den Bereich des Enhancement ausweiten, der Erzeugung "neuer" oder "verbesserter" Fähigkeiten. Jedes Gen kann im Prinzip verändert werden. Die "Vorbeugung von Behinderungen" wird dann mit Enhancement verschmelzen. Wenn Genom-Editierung als "ausreichend sicher" eingestuft würde, könnte es auf alle möglichen Genvariationen angewandt werden, die Enhancement Möglichkeiten versprechen. Und was als "normal" angesehen wird, könnte zur Debatte stehen. Die Befürworter*innen des Enhancement durch Keimbahn Genom-Editierung wollen Körper und mentale Fähigkeitungen potenzieren. Sie sehen den natürlichen menschlichen Körper als begrenzt, defekt und verbesserungsbedürftig an und befürworten ein Funktionieren über die arttypischen Grenzen hinaus.

Der Bereich der Enhancement-Medizin durch Genmanipulation würde die Grenzen der Normalität verschieben. Würde der Einsatz der Keimbahn Genom-Editierungstechnologie zur Schaffung des "perfekten" oder "idealen" Menschen dazu führen, dass wir weniger tolerant gegenüber "Unvollkommenheiten" werden? Eine Person, die der Norm der Perfektion nicht entsprechen kann, könnte als "behindert" wahrgenommen werden.

Würde die Kontrolle der Eigenschaften eines Babys, mit allerlei kognitiven und körperlichen Eigenschaften umfassend, zu einem bedeutenden Aspekt der Zukunft unserer Spezies werden?

Die Öffentlichkeit sollte für das Thema sensibilisiert werden, damit die Diversität als Wert anerkannt wird, und nicht nur nach Wirtschaftlichkeit beurteilt wird. Natürlich können durch Diversität auch Kosten entstehen, die durch die Gemeinschaft getragen werden müssen. Das soll man nicht verschweigen, sondern eben den Nutzen aufzeigen, und veranschaulichen, was passieren könnte, wenn man diese Diversität ‘ausschalten’ würde.

Wertschätzung von Diversität ist enorm wichtig, denn sie macht die Gesellschaft reicher und überlebensfähiger. Es gibt schon heute viele Eigenschaften, die man früher akzeptiert hat, heutzutage pathologisiert und therapiert werden, da in der Arbeitswelt nur hochproduktive, kommunikative, extravertierte Menschen gefragt sind.

Bei der Keimbahn Genom-Editierung wird das Genmaterial künftiger Generation verändert werden. Es ist wichtig, das Recht des Kindes auf Schutz als Ausgangspunkt zu nehmen, um die Notwendigkeit des Schutzes des Genoms künftiger Generationen zu erörtern.

Ethische theoretische Blickwinkel stehen im Konflikt. Der Personalismus, der davon ausgeht, dass die Würde der noch nicht lebenden Person anerkennt wird, steht im Kontrast mit dem Paternalismus und Liberalismus. Denn der Paternalismus, geht davon aus, dass wir die besten Entscheidungsträger für künftige Generationen sind und der Liberalismus, geht davon aus, dass wir die größtmögliche Anzahl von Wahlmöglichkeiten bewahren, um dann entscheiden zu können, was das Beste für sie ist. Procreative Beneficience (PB) ist so ein Begriff, der zusammen mit der neuesten Reproduktionstechnologie verwendet wird. Das heisst auf die Keimbahn Genom-Editierung bezogen, dass man die Kinder durch Manipulation von Krankheitsgenen und Nicht-Krankheitsgenen auf bedeutende Weise beeinflussen würde. Die Eltern würden entscheiden, welche Eigenschaften ihre Nachkommen haben sollten. Müssten diejenigen, die noch nicht geboren sind, nicht geschützt werden vor Genveränderungen?

Es wurden verschiedene Umfragen durchgeführt, um die öffentliche Meinung zu bewerten: Man fragte zum Beispiel, wenn ein Elternteil eine schwere vererbbare Muskelkrankheit hätte, ob Genom-Editierung für (ungeborene) Babys akzeptabel ist, wenn dann das Risiko für die schwere Krankheit oder Behinderung stark verringert würde? Hier wurde davon ausgegangen, dass die Technologie sicher und wirksam ist. Vorausgesetzt, dass die Defizite des Genom-Editierung Technologie überwunden werden, (und das können wir eigentlich nicht eruieren, ohne Versuche über eine ganze Lebensdauer zu machen), ist es dann ethisch vertretbar, diese Technologie einzusetzen, um zukünftige Babys zu "entwerfen"? Und müssen Individuen mit veränderter DNA ihr ganzes Leben lang überwacht werden, damit die Technologie als sicher eingestuft werden kann? Und wird es ihnen gesagt, dass ihr Gen manipuliert wurde? Und wann, wie alt müsste das Individuum sein um das zu verarbeiten?

In der Öffentlichkeit überwiegt Unbehagen über "Human Enhancement". Es wird befürchtet, dass die Genom-Editierung der Keimbahn einen Eingriff in die Natur darstellt und daher vermieden werden sollte. Die Biochemikerin Jennifer Doudna wurde für ihre Arbeit an CRISPR-cas9 im Jahr 2020 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Zuerst war sie entsetzt, als sie in 2018 die Tatsache über die ersten CRIPRS-Genom-editierten Babys erfuhr. Aber jetzt in 2022 soll sie anders denken. Sie könnte sich schon vorstellen, dass Veränderungen am Embryo vorgenommen werden könnten, auch wenn sie nicht als medizinisch notwendig erachtet werden. Also von Enhancement ist hier die Rede.

Wenn Eltern anhand und mit einer Genetikerin entscheiden könnten, was für Eigenschaften ihr Kind haben könnte, dann würde dies zu Gunsten des Kinderwunsches der Eltern bedeuten: ihr Recht auf ein bestimmtes Kind. Das bedeutet dann, dass die Eltern wissen müssen, in was für Lebenszustände ihr Kind hineinwachsen würde, und was für Eigenschaften sie dafür benötigte. Das ist aber kaum möglich.

Schlussbemerkungen und bisherige Aktionen

Das Thema der Keimbahn Genom-Editierung ist wichtig, und genauso wichtig ist es, dass die Öffentlichkeit davon informiert wird, und sich dann darüber Gedanken macht, diskutiert und ihre Bedenken benennt. Das Ziel meines Projektes liegt darin, dass es sichtbar wird, so dass wir so viele Menschen wie möglich zum Debattieren dieses Thema der Keimbahn Genom-Editierung bringen, und dass das politische Auswirkungen hat. Die Keimbahn Genom-Editierung, mit ihren Auswirkungen ist etwas, das uns alle etwas angeht.

Bisher habe ich zwei Aktionen gemacht:

  1. Eine Webseite (Deutsch und Englisch) http://www.inclusive-deliberation.com zum Thema der Genom-Editierung (Keimbahn und Somatische).
    • Ziel des Webprojektes sollte die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema bewirken. Es wurde leider nicht so oft bespielt. Es ist ein interaktives Web-Angebot mit Informationen über dieses Thema. Dann werden Leute dazu aufgefordert Meinungen oder Fragen als Kommentare zu posten. Das kann wiederum von anderen gelesen und kommentiert werden. So sollte eine interactive Debatte geführt werden zu dem Thema.
  2. Zoom-Kongress am 9. September 2022:
    • Fünf Expert*innen Dr. Marcy Darnosvsky, Prof. Gregor Wolbring, Prof. Roberto Andorno, Prof. Donrich Thaldar, Dr. Calum MacKellar (siehe den link unten) erklärten den Teilnehmer*innen, welche gesellschaftliche Auswirkungen die Keimbahn Genom-Editierung haben könnten. Anschliessend konnten die Teilnehmer*innen in kleineren Gruppen debattieren. Der Event dauerte 3 Stunden. Videos über die Referate und die Diskussionen habe ich auf diese Webseite gestellt: https://www.inclusive-deliberation.com/blog

Dieser Text ist im Rahmen des Reatch Ideenwettbewerbs entstanden. Um die Krisen von morgen zu meistern, brauchen wir als Gesellschaft Vorstellungsvielfalt als Rüstzeug. Dafür notwendig ist ein gemeinsames Verständnis, aber auch konkrete Ideen und Ansätze, wie Probleme angegangen und gelöst werden können. Dieses Ziel verfolgt der Reatch Ideenwettbewerb. Im Rahmen davon, haben wir nach Ideen gesucht, wie die Wissenschaften zusammen mit Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft die Krisen von morgen meistern können. Denn eine enge und konstruktive Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren ist entscheidend, damit wissenschaftliche Erkenntnisse auch Eingang in politische und gesellschaftliche Lösungen finden. Der Ideenwettbewerb wurde u.a. unterstützt durch die Stiftung Mercator Schweiz, die Gebert Rüf Stiftung und den Schweizerischen Nationalfonds (SNF).

Das Franxini-Projekt: Wir wollen eine Gesellschaft, in der Akteure aus Wissenschaften und Politik zusammenarbeiten, um gesellschaftliche Herausforderungen effektiv zu bewältigen. Dank dem politischen Engagement von Forschenden aus allen Fachrichtungen tragen wissenschaftlich fundierte Ideen zu effektiven Lösungen bei, von denen die ganze Gesellschaft profitiert.

Das Franxini-Projekt ist entstanden auf Initiative der wissenschaftlichen Ideenschmiede «Reatch! Research. Think. Change.» und wird unterstützt von einer Reihe von renommierten Persönlichkeiten aus Wissenschaften, Politik und Gesellschaft und wird gefördert von der Stiftung Mercator, der Gebert Rüf Stiftung, der cogito foundation, der Universität Zürich, dem ETH Rat, der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz und weiteren Partnern.

Autor*innen

Corinne Othenin-Girard ist Doktorandin in Soziologie an der Universität Basel. Es ist ihr wichtig, dass die Öffentlichkeit über die Keimbahn Genom-Editierung (KGE) in ihrer ganzen Komplexität informiert wird. Sie findet, dass es einen breiteren öffentlichen Diskurs über dieses ethisch umstrittene Thema braucht.

Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.

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