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Wohlbefinden und Sorgen in der Zeit des Schweizer Lockdowns

Das Wohlbefinden der Schweizer Bevölkerung blieb auch während des Lockdowns im Frühjahr hoch. Dies liegt möglicherweise auch daran, dass in der Schweiz nur ein kleiner Teil der Bevölkerung an Covid-19 erkrankt ist. Allerdings hinderte das die Menschen nicht, sich über die Auswirkungen von Covid-19 auf ihr Leben und ihrer finanziellen Situation Gedanken zu machen. Das sind die Ergebnisse einer zwischen Ende April und Mai 2020 durchgeführten Befragung von rund 2’000 Personen aus der Schweiz.

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Dieser Beitrag ist am 21. Oktober 2020 auf DeFacto erschienen.

Hohes allgemeines Wohlbefinden in der Zeit des Lockdowns

Die hohe allgemeine Lebenszufriedenheit der Schweizer Bevölkerung während des Lockdowns zeigt sich in verschiedenen Lebensbereichen. Über neunzig Prozent der Befragten gaben an, mit dem Leben im Allgemeinen sehr oder eher zufrieden zu sein. Drei Viertel gaben an, dass sie mit ihrer Arbeit und ihrer finanziellen Situation zufrieden sind, nur eine von zehn befragten Personen gab an, unzufrieden zu sein. Besonders hoch ist die Zufriedenheit im privaten Bereich, nur vereinzelte Befragte gaben an, mit dem Zusammenleben oder in der Beziehung unzufrieden zu sein. Von den Personen, die in einer Partnerschaft leben, gaben drei Viertel an, dass sie mit ihrer Partnerschaft vollständig oder sehr zufrieden sind, mit dem Zusammenleben im Haushalt sind es ebenfalls siebzig Prozent (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Zufriedenheit nach Lebensbereichen (in Prozent der Befragten)

Die Betroffenheit und Sorge war in der lateinischen Schweiz wesentlich höher

Die hohe Zufriedenheit mit dem eigenen Leben bedeutet aber nicht, dass sich die Bevölkerung keine Sorgen machte (Abbildung 2). Ein wesentlicher Teil der Befragten hat sich nicht nur Sorgen um die Gesundheit ihrer Nächsten (78 Prozent) gemacht, sondern auch um ihr eigenes Sozialleben (58 Prozent) und ihre finanzielle Situation (40 Prozent).

Generell zeigt sich auch, dass sich Personen aus der lateinischen Schweiz in allen Bereichen mit Ausnahme des Soziallebens mehr Sorgen gemacht haben als Personen aus der Deutschschweiz. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die lateinische Schweiz vor und während des Befragungszeitraums stärker von Covid-19 betroffen war als die Deutschschweiz.

Abbildung 2: Besorgtheit über die Auswirkungen der Coronakrise auf verschiedene Lebensbereiche nach Sprachregionen (in % der Befragten) Anmerkung: D‑CH = Deutschschweiz, L‑CH = Lateinische Schweiz. N=1876–1890. Die Fragestellung lautete: Wie besorgt sind Sie über die Auswirkungen des Coronavirus auf Ihre persönliche Gesundheit / die Gesundheit Ihrer Nächsten / Ihr Sozialleben / auf Ihr Familienleben / auf Ihre finanzielle Situation?

Bei der Sorge um die Gesundheit überwiegen die Sorgen um die Gesundheit der Nächsten gegenüber der Sorge um die eigene Gesundheit. 56 Prozent der Befragten sind nicht sehr oder überhaupt nicht besorgt, was ihre eigene Gesundheit anbelangt. Aber nur 23 Prozent machen sich ebenso wenig Sorgen um die Gesundheit ihrer Angehörigen. Die Sorge um die eigene Gesundheit steigt mit dem Alter (Abbildung 3). Während bei den Personen zwischen 18 und 30 Jahre nur 30 Prozent zumindest eher besorgt sind, steigt diese Sorge bei der Altersgruppe 65+ deutlich an. Jedoch sind auch innerhalb der älteren Bevölkerung 28 Prozent nicht sehr besorgt und sieben Prozent überhaupt nicht besorgt.

Abbildung 3: Besorgtheit über die Auswirkungen der Coronakrise auf verschiedene Lebensbereiche nach Alter (in % der Befragten) Anmerkung: N=1876–1890. Die Fragestellung lautete: Wie besorgt sind Sie über die Auswirkungen des Coronavirus auf Ihre persönliche Gesundheit / auf Ihr Familienleben / auf Ihre finanzielle Situation?

Über die Auswirkungen auf ihr Sozial- und Familienleben machen sich die Befragten etwas weniger Sorgen als über die Gesundheit ihrer Nächsten. Aber zumindest in Bezug auf das Familienleben zeigen sich dieselben Unterschiede nach Alter, sprich mit steigendem Alter steigt die Sorge um die Auswirkungen auf das Familienleben (Abbildung 3).

Ein etwas anderes Muster offenbart sich bei den Auswirkungen auf die finanzielle Situation. Hier sorgen sich Personen im Erwerbsalter deutlich stärker als Personen im Pensionsalter. Insgesamt sind die Sorgen um die Auswirkungen auf die finanzielle Situation aber etwas weniger verbreitet als in den anderen Lebensbereichen. Es sind aber doch vierzig Prozent der Befragten besorgt über die Auswirkungen von Covid-19 auf ihre finanzielle Situation. Ein Teil davon, rund 16 Prozent, sind sogar sehr oder äusserst besorgt, das ist eine von sechs befragten Personen. In der lateinischen Schweiz ist es sogar eine von fünf Personen.

Insgesamt betrachtet, machen sich Frauen in der Tendenz etwas mehr Sorgen als Männer, aber diese Unterschiede sind nur teilweise signifikant und wenn signifikant, dann sind die Unterschiede klein. Auch die persönliche Betroffenheit durch eine Covid-19-Erkrankung im Umfeld hat keinen Einfluss auf den Grad der Besorgtheit.

Mehrheit fühlte sich manchmal isoliert, konnte aber auf emotionale Unterstützung zählen

In Zusammenhang mit Covid-19 stellte sich die Frage, ob der Lockdown zu sozialer Isolation führte. Insgesamt lässt sich sagen, dass vielen Menschen die Gesellschaft von anderen Menschen fehlte und sie sich ab und zu isoliert fühlten. Das Gefühl ausgeschlossen und übergangen zu werden, war hingegen nur bei einer Minderheit vorhanden.

Unsere Analyse zeigen, dass 27 Prozent der Befragten in dieser Zeit die Gesellschaft von anderen Menschen sehr oft oder oft gefehlt hat und 19 Prozent fühlten sich oft oder sehr oft von anderen Menschen isoliert (Abbildung 4). Ausgeschlossen oder übergangen fühlten sich aber nur 6 Prozent der Befragten oft oder sehr oft, 82 Prozent hatten dieses Gefühl nie oder selten. Frauen haben sich in der Tendenz etwas öfter isoliert gefühlt und etwas öfter die Gesellschaft von anderen Menschen vermisst. Zwischen den Altersgruppen zeigen sich hingegen keine signifikanten Unterschiede.

Abbildung 4: Gefühle von Isolation und Ausschluss in den letzten vier Wochen (in Prozent der Befragten) Anmerkung: N=1875–1900. Die Fragestellung lautete: Wie oft haben Sie in den letzten vier Wochen das Gefühl gehabt, dass Ihnen die Gesellschaft von Menschen fehlt / dass Sis sich von anderen Menschen isoliert fühlen / dass Sie ausgeschlossen oder übergangen werden?

Ein Grossteil der Bevölkerung konnte jedoch auch während dieser Zeit auf emotionale Unterstützung zählen. Es gibt aber acht Prozent, die angeben, nie oder fast nie auf emotionale Unterstützung zählen zu können (Abbildung 5). Zwischen Personen im Erwerbsalter und Personen im Pensionsalter zeigen sich dabei nur geringe Unterschiede. Grosse Unterschiede zeigen sich nach Haushaltsform und Geschlecht.

So sind es vor allem alleinlebende Männer, die in deutlich geringerem Ausmass auf emotionale Unterstützung zählen konnten als alle anderen. Rund 30 Prozent der alleinlebenden Männer geben an, dass sie selten bis nie auf jemanden zählen können, der mit ihnen Probleme bespricht oder ihnen hilft, schwierige Entscheidungen zu treffen. Alleinlebende Männer fühlen sich auch überdurchschnittlich oft isoliert von anderen Menschen und ausgeschlossen, geben aber interessanterweise nicht öfter an, dass ihnen die Gesellschaft von Menschen fehlt. Im Gegensatz zu den alleinlebenden Männern zeigen sich bei den alleinlebenden und alleinerziehenden Frauen in diesen Bereichen keine signifikanten Unterschiede zur Gesamtbevölkerung.

Abbildung 5: Vorhandensein von emotionaler Unterstützung in den letzten vier Wochen (in Prozent der Befragten) Anmerkung: Skala von 0 = nie bis 6 = immer. N=1772. Die Fragestellung lautete: Inwieweit konnten Sie in den letzten vier Wochen auf jemanden zählen, der Ihnen emotionale Unterstützung bietet, mit Ihnen Probleme bespricht oder Ihnen hilft, schwierige Entscheidungen zu treffen?

Schlussfolgerung

Die Resultate zeigen, dass das allgemeine Wohlbefinden in der Schweiz auch während des Lockdowns im Durchschnitt hoch war, die Befragten mit ihrem Leben zufrieden waren und sich emotional getragen fühlten. Ein wesentlicher Teil macht sich aber auch Sorgen um die Auswirkungen von Covid-19 auf die verschiedenen Aspekte ihres Lebens und dort, wo das Virus stärker verbreitet war, machen sich die Menschen mehr Sorgen.

Bei all diesen Durchschnittswerten darf aber nicht vergessen werden, dass es auf die Gesamtbevölkerung einen prozentmässig kleinen Anteil, zahlenmässig aber durchaus wesentlichen Teil der Bevölkerung gibt, der sich sehr isoliert fühlt und sich sehr grosse Sorgen macht. Zudem haben bereits diese ersten Analysen gezeigt, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, die stärker gefährdet sind als andere. Hier gilt es genauer hinzuschauen, um Risikogruppen zu identifizieren und bei einer möglichen zweiten Covid-19 Welle gegebenenfalls Massnahmen zu ergreifen, die sozialer Isolierung, Einsamkeit und Sorge entgegen wirken.

Referenzen

[1]

F. Ehrler, F. Bühlmann, P. Farago, F. Höpflinger, D. Joye, P. Perrig-Chiello und Ch. Suter (Hg.). Sozialbericht 2016: Wohlbefinden. Zürich: Seismo-Verlag.

[2]

FORS Covid-19 MOSAiCH Erhebung: Dieser Beitrag basiert auf dem Faktenblatt Nr. 1 der FORS Covid-19 Erhebungen.

Um einen Beitrag zum Verständnis der Auswirkungen von Covid-19 auf die Gesellschaft in der Schweiz zu leisten, wurden in MOSAiCH (https://forscenter.ch/mosaich/) Fragen zu Covid-19 und den damit einhergehenden Massnahmen aufgenommen. MOSAiCH ist eine jährlich stattfindende sozialwissenschaftliche Erhebung, die sich rund um die Themen Wohlbefinden, Arbeit, Vereinbarkeit Familie und Beruf sowie Politik dreht. Zwischen Ende April und Ende Mai 2020 haben 1’937 Personen an einer Online-Befragung teilgenommen, die in Privathaushalten in der Schweiz leben und mindestens 18 Jahre alt sind. Die Resultate wurden statistisch gewichtet, um eine bessere Repräsentativität für die Schweizer Bevölkerung zu erreichen. Die Personen werden im Herbst 2020 ein zweites und im Frühling 2021 ein drittes Mal befragt, um die Auswirkungen von Covid-19 längerfristig messen zu können.

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