Gemäss Medienberichten will die nationalrätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) Forschende der bundesrätlichen Corona-Taskforce künftig daran hindern, sich öffentlich zur Coronapolitik des Landes zu äussern. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Mit der Corona-Pandemie befindet sich die Schweiz in einer der grössten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg. Wissenschaftliche Informationen aller Disziplinen sind für die Krisenbewältigung des Bundesrats, aber auch für das Verhalten der Bevölkerung eine entscheidende Grundlage. Und nun sollen ausgerechnet jene Menschen, welche diese Informationen bereitstellen, sich öffentlich nicht mehr zur Coronapolitik äussern dürfen?
Lösungsorientierte Politik muss wissenschaftliche Fakten berücksichtigen. Gerade im Schweizer Milizsystem braucht es Stimmen in der Öffentlichkeit, welche neueste wissenschaftliche Erkenntnisse kompetent einschätzen und an Politik und Bevölkerung weitergeben. Zudem dienen wissenschaftliche Einschätzungen nicht nur dazu, Politiker*innen zu beraten, sondern auch die Schweizer Bevölkerung zu informieren. Die Forderung der WAK, der Bevölkerung die wissenschaftlichen Entscheidungsgrundlagen der Politik vorzuenthalten, ignoriert die Wichtigkeit der Schweizer Zivilgesellschaft im politischen Prozess.
Selbstverständlich müssen auch Forschende lernen, wie guter Politikdialog funktioniert - aus diesem Grund setzt sich Reatch proaktiv dafür ein, dass Wissenschaftler*innen sich ihrer Verantwortung im Umgang mit der Politik bewusst sind und ihren Beitrag zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit leisten.
Die Wissenschaften können Fakten bereitstellen und mögliche Folgen unseres Handelns beschreiben. Die gesellschaftspolitische Wertung dieser Informationen fällt aber in den Handlungsbereich der Politik. Diese Aufgabenteilung ist sinnvoll und wurde im vergangenen Jahr auch von vielen wissenschaftlichen und politischen Akteuren gewürdigt, auch wenn die Zusammenarbeit nicht ohne Misstöne blieb. Das beinahe unvermeidlich: Es liegt in der Kompetenz des Bundesrats und des Parlaments, sich über wissenschaftliche Empfehlungen hinwegzusetzen, genauso wie es das gute Recht von Forschenden ist, dies öffentlich zu kritisieren.
Der von verschiedenen Medien kommunizierte Entscheid, die Meinungsäusserungsfreiheit von Forschenden einzuschränken, untergräbt damit nicht nur das Fundament für effektive Lösungen, um gemeinsam aus dieser Krise zu kommen, sondern ist auch rechtsstaatlich bedenklich. Schliesslich haben auch Forschende, die den Bundesrat beraten, ein Recht auf freie Meinungsäusserung. Wie geschickt sie davon Gebrauch machen, steht freilich auf einem anderen Blatt.
Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.
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