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Vernehmlassungsantwort von Reatch zur Teilrevision der Radio- und Fernsehverordnung (RTVV)

Reatch lehnt die vom Bundesrat vorgeschlagene Senkung der Radio- und Fernsehabgabe ab. Bevor über den Preis verhandelt wird, braucht es strategische Klarheit über die Ziele des medialen Service public.

Reatch vertritt Forschende aus der ganzen Schweiz, die sich für einen konstruktiven Dialog zwischen den Wissenschaften und anderen Teilen der Gesellschaft einsetzen. Als unabhängige Ideenschmiede für kritische Wissenschaftler*innen und Wissenschaftsbegeisterte in der Schweiz fördert Reatch eine wissenschaftsfreundliche Kultur, in der Wissenschaft, Gesellschaft und Politik am gleichen Strang ziehen. So sollen die besten Lösungen für die Herausforderungen von heute und morgen entstehen.

Reatch lehnt die vom Bundesrat vorgeschlagene Senkung der Radio- und Fernsehabgabe ab, da es zuerst strategische Klarheit über die Ziele des medialen Service public braucht. Bleibt diese aus, besteht die Gefahr, dass Angebote wegfallen, die für das Funktionieren einer informierten und freien Demokratie entscheidend sind, zum Beispiel im Bereich des Wissenschaftsjournalismus’ und des kritischen Journalismus’ über Wissenschaft.

Grundsatzdebatte statt Preisgeschacher

Der fundamentale Strukturwandel in der Medienbranche macht es zweifellos notwendig, die Zukunft des medialen Service public grundsätzlich zu diskutieren. Doch eine Diskussion, die nur beim Preis ansetzt, riskiert, dass jene Elemente des Service public vernachlässigt werden, die keine gut organisierte Lobby im Rücken haben. Hierzu zählt insbesondere der Wissenschaftsjournalismus, der in der Schweiz seit Langem darbt, jedoch eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung, aber auch der kritischen Einordnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen spielt.

Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig freie und wissenschaftlich kompetente Medien für das Funktionieren der Demokratie sind. Neben der Pandemie musste die Politik eine regelrechte Infodemie an Falschinformationen bekämpfen. Gerade in solchen Ausnahmesituationen ist es wichtig, als Demokratie auf Medien vertrauen zu können, die sich durch Unabhängigkeit und Kompetenz auszeichnen.

Eine zusätzliche Reduktion der Abgaben birgt die Gefahr, dass die Ressourcen für den öffentlich finanzierten Wissenschaftsjournalismus weiter einbrechen. Dies macht es Akteuren mit politischen oder wirtschaftlichen Partikularinteressen einfacher, die Macht wissenschaftlicher Erkenntnisse für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und damit die öffentliche Debatte zu untergraben. Ebenso besteht die Gefahr, dass kritischer Journalismus über Wissenschaft zusehends von Wissenschaftskommunikation und Wissenschafts-PR vonseiten wissenschaftlicher Einrichtungen ersetzt wird. Eine freie Demokratie ist aber darauf angewiesen, dass Journalismus neben der kompetenten Vermittlung wissenschaftlicher Informationen auch eine kritisch-unabhängige Berichterstattung gegenüber wissenschaftlichen Institutionen sicherstellen kann. Ein starker medialer Service public sollte beide Aufgaben erfüllen können.

Den medialen Service public breiter denken

Aus diesen Gründen lehnt Reatch eine pauschale Reduktion der Radio- und Fernsehabgaben ohne vorangehende Grundsatzdiskussion über den Wert und die Relevanz eines Service public ab. Diese Diskussion sollte breit geführt werden und sich nicht ausschliesslich auf das Angebot der SRG fokussieren.

Eine pauschale Reduktion der Abgaben ohne strategische Klarheit über die Zukunft des medialen Service publics riskiert nämlich, dass entscheidende Angebote der SRG – insbesondere im Bereich des Wissenschaftsjournalismus und des kritischen Journalismus' über Wissenschaft – wegbrechen, ohne dass diese anderweitig aufgefangen werden können. Die Schweizer Bevölkerung hat Anspruch auf eine ergebnisoffene Diskussion darüber, welches mediale Angebot es für das Funktionieren der Schweizer Demokratie braucht, bevor über Abgabensenkungen vollendete Tatsachen geschaffen werden.

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