Social communication

Stolpersteine und Zielkonflikte in der Wissenschaftskommunikation

Am 4.12.2023 lud das Reatch Blog Team zu einem Netzwerkanlass an der Universität Bern ein. Gästin des Abends war Katrin Zöfel, Wissenschaftsjournalistin beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Kanita Sabonovic, Leiterin der Reatch Blog-Redaktion, führte mit ihr ein Gespräch über „Stolpersteine und Zielkonflikte in der Wissenschaftskommunikation“.

Wie funktioniert heutzutage Wissenschaftskommunikation?

Zu Beginn des Gesprächs gab Katrin Zöfel einen Einblick in ihren Werdegang und ihren Arbeitsalltag beim SRF.

Sie interessierte sich schon früh für die Arbeit als Journalistin. Während eines Redaktionspraktikums wurde ihr geraten, etwas zu studieren, in dem sie Expertin sein möchte, um in dem Bereich später als Journalistin zu arbeiten. Sie entschied sich für ein Biologie-Studium und absolvierte danach eine Radioausbildung. Ihre Wahl des Mediums Radios begründete sie im Gespräch mit unter anderem damit, dass man beim Radio auch freischaffend die Chance auf ein gutes Auskommen hat, anders als beim Printbereich, wo die Honorare extrem niedrig sind.

Nach langjähriger Arbeit als Wissenschaftsjournalistin für verschiedene Medien in Deutschland (Deutschlandfunk, Hessischer Rundfunk etc.) wechselte sie vor 7 Jahren als Wissenschaftsredakteurin zum SRF und ist seit einigen Jahren auch Dozentin im CAS Wissenschaftsjournalismus am MAZ.

Katrin Zöfel beschreibt die Arbeit als Wissenschaftsjournalist:in als schnelllebig, was mit hohem Stress und Zeitdruck verbunden ist. Oft kommen aktuelle Themen dazwischen, die zeitnah bearbeitet werden müssen, so dass länger recherchierte Beiträge oft immer weiter verschoben werden. Die Spezialisierung der einzelnen Redaktionsmitglieder auf spezifische Themen erlaubt es dabei, schnell auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren: Neue Studien können schneller eingeordnet und bereits bestehende Kontakte zu passenden Interviewpartner:innen aus der Wissenschaft genutzt werden. Als Wissenschaftsjournalist:in hat man somit viel Kontakt zu Expert:innen. Dabei müsse man sich bewusst sein, dass die Interviewpartner:innen immer mehr Ahnung von der Materie haben als man selbst. Mit dieser Rolle der „Dummen“ müsse man als Wissenschaftsjournalist:in umgehen können.

Wissenschaftskommunikation in Verbindung mit Politik und Gesellschaft

Nach diesem Einblick wurde gemeinsam mit dem Publikum über die Rolle des Wissenschaftsjournalismus in der Gesellschaft und in der Verbindung mit politischen Entscheidungen diskutiert.

Katrin Zöfel sieht ihre Rolle als Wissenschaftsjournalistin darin, eine Einschätzung zu neuen Erkenntnissen aus der Wissenschaft für fachfremde Personen zu geben. Wichtig findet sie auch, diese Einschätzung anhand von Argumenten zu begründen und zu erklären.

Eine lebhafte Diskussion entstand, als aus dem Publikum die Anmerkung kam, dass während der COVID-19-Pandemie nicht der gesamte Wissenschaftsdiskurs in den Medien abgebildet und somit auch nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben wurde.

Katrin Zöfel erklärte daraufhin, dass man als Journalist:in auch einschätzen muss, was wissenschaftlich haltbar ist und welche Stimmen eher Meinungen als Expertise liefern. Die COVID-19-Pandemie wurde stark politisiert und emotionalisiert. Dies hat dazu beigetragen, dass Informationen zum Teil selektiert und wissenschaftliche Erkenntnisse in ein anderes Licht gerückt wurden, was für Wissenschaftler:innen als auch für Journalist:innen belastend sein kann. Wenn man in solchen Fällen von allen Seiten angegriffen wird, hat man laut Katrin Zöfel wohl viel richtig gemacht. Als Wissenschaftsjournalist:in muss man Unsicherheiten kommunizieren, wobei man oft die schwierige Aufgabe hat, dabei für fachfremde Personen verständlich zu bleiben, und somit einen Kompromiss zwischen Komplexität und Verständlichkeit finden muss.

Katrin Zöfel führte aus, dass es für gewisse Themen, wie etwa genetisch modifizierte Pflanzen, schwer ist Wissenschaftler:innen zu finden, die sich öffentlich äussern möchten. Sie erlebt oft, dass diese Forschenden Angst haben, missverstanden oder in Kontroversen hineingezogen zu werden. Eine wichtige Aufgabe der Wissenschaftsjournalist:in ist es daher Vertrauen aufzubauen, die wissenschaftliche Arbeitsweise wirklich zu verstehen und nicht aus Sensationslust zu handeln. Als Wissenschaftsjournalist:in hat man eine gewisse Verantwortung für die korrekte Wiedergabe und für die Formulierung der Inhalte, aber man hat keine Kontrolle darüber, wie die Politik und die Gesellschaft den Bericht aufnehmen: Stets besteht das Risiko, missverstanden zu werden oder das Aussagen verdreht weitergetragen werden. Den Wissenschaftler:innen, die sich dem aussetzen, sei sie immer wieder dankbar.

Die Zukunft des Verhältnisses von Wissenschaft, Journalismus und Gesellschaft

Zum Schluss des Gesprächs wurde die Frage diskutiert, wie die Zukunft des Verhältnisses von Wissenschaft, Journalismus und Gesellschaft aussieht. Katrin Zöfel sieht zusammenfassend drei zentrale Punkte:

1. Wissenschaftler:innen und Journalist:innen müssen für die Fakten einstehen.

2. Wissenschaft, Journalismus, Gesellschaft und Politik müssen miteinander reden.

3. Wissenschaftler:innen müssen verstehen, dass man oft vereinfachen muss.

Generell bot der Anlass dem Publikum einen spannenden Einblick in die Arbeit und Rolle sowie Bedeutung des Wissenschaftsjournalismus für unsere Gesellschaft.

Autor*innen

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Blog-Team

Elisabeth ist Teil des Reatch Blog-Teams und beschäftigt sich mit dem Austausch zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Sie ist Neurowissenschaftlerin und forscht am Institut für Neuroinformatik an der ETH Zürich.

Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.

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