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Started From the Paper, Now It’s in Your Ear – was uns Hip-Hop über Wissenschaftskommunikation lehrt

Popkultur ist ein mächtiges aber wenig genutztes Werkzeug in der Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ein Beispiel findet sich in einer Sammlung von Hip-Hop Songs, welche das Ziel hatte über AIDS aufzuklären.

Heute schwer vorstellbar aber noch in den 1990er Jahren wütete AIDS insbesondere in den grossen US-Städten wie New York. Die Gesundheitspolitik war lange überfordert und die Krankheit konnte sich u.a. auch aufgrund geringen Bewusstseins stark verbreiten. In diese Zeit fällt ein interessantes Projekt, initiiert durch die Anti-Aids Organisation Red Hot [1]. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlern sollten Alben publiziert werden, um gezielt das Bewusstsein über AIDS zu erhöhen und somit einerseits soziale Tabus abzubauen, andererseits aber auch die Verbreitung der Krankheit einzudämmen.

Am Beispiel des daraus entstandenen Hip-Hop Albums America Is Dying Slowly (AIDS) lassen sich einige Punkte zu erfolgreicher Wissenschaftskommunikation im Bereich der Gesundheitspolitik ableiten, insbesondere aus dem Song America des bekannten Hip-Hop Kollektivs Wu-Tang Clan.

Prävention im Hip-Hop-Format

Der fast sechsminütige Song – gerichtet an «communities of color in the United States» [1] – nimmt das Publikum mit auf eine deprimierende Reise verschiedener Charaktere, die direkt oder indirekt mit AIDS konfrontiert werden, um im Refrain und Outro auf die Letalität der Krankheit hinzuweisen. Für Wissenschaftskommunikation zeigen sich hier mehrere spannende Punkte:

  1. Storytelling
    Es geht nicht um medizinische oder biologische Details, sondern die bewusste Popularisierung des aktuellen Wissenstandes. Deshalb steht das glaubwürdige Storytelling mittels verschiedener realistischer Personas und deren Interaktionen mit der Krankheit im Zentrum.
  2. Symptome und Konsequenzen
    Die Lyrics beschreiben sehr drastisch mit welchen Symptomen und Konsequenzen AIDS Infizierte konfrontiert sind. Mit dem so vermittelten Wissen kann einerseits die neue Krankheit von bereits bekannten Erkrankungen unterschieden und die Ernsthaftigkeit aufgezeigt werden
  3. Vektoren und Verbreitung
    Die expliziten Lyrics erläutern auch den aktuellen Wissensstand bezüglich Verbreitung der Krankheit von ungeschütztem Sex bis hin zum Teilen von Spritzen für Drogenkonsum. Somit wird das Publikum über mögliche Präventionsmassnahmen aufgeklärt.
  4. Verschwörungen ansprechen
    In einer Situation, in welcher viele nicht nur nichts von AIDS wussten, sondern auch viele Verschwörungstheorien existierten, greift der Song diese Theorien direkt auf und zeigt auf, dass sie falsch sind.
  5. Glaubwürdiger Absender
    Die Hauptmessage, dass AIDS tödlich ist, wird jeweils dadurch unterstrichen, dass die Glaubwürdigkeit des Absenders betont wird: «Coming from the Wu it’s real!» Für die Hauptzielgruppe der afroamerikanischen Bevölkerung der grossen Städte eine Gruppe zu wählen, die in diesem Umfeld gross wurde und lebt, unterstützt den Inhalt weiter.

Popkultur erklärt Wissenschaft

Das Album wird von den Produzenten als erfolgreiches Projekt gesehen [2], auch wenn es musikalische und inhaltliche Kritik gab [3]. So muss man rückblickend z.B. sagen, dass wichtige Punkte wie die Übertragung bei gleichgeschlechtlichem Geschlechtsverkehr oder die Inklusion weiblicher Stimmen fehlen, hauptsächlich aufgrund kultureller und gesellschaftlicher Tabus.

Trotzdem dient das Projekt als Beispiel wie Populärkultur bei der Wissenschaftskommunikation eine Rolle spielen könnte. Auch wenn es bei der letzten grossen public health Krise – Covid-19 – einige ähnliche Beispiele gab [4] [5], so könnte Popkultur und die verwendeten Prinzipien Wissenschaftskommunikation noch effektiver machen.

Autor*innen

Nicolas Zahn

Autor*in

Berater Franxini-Projekt, Hive & Hub

Nicolas Zahn studierte in Zürich, Genf und Washington D.C. Politikwissenschaft und internationale Beziehungen. Nach ersten Beratungserfahrungen in der Finanzbranche widmete er sich im Rahmen des Mercator Kollegs für internationale Aufgaben der Fragestellung, wie der öffentliche Sektor von der Digitalisierung profitieren könnte. Seit 2019 arbeitet er als Berater bei der Schweizer IT-Firma ELCA Informatik AG.

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