University Of Bern

Kann es sich die Schweiz leisten, bei Forschung und Bildung zu sparen?

Die Schweiz droht ihre führende Rolle in Bildung, Forschung und Innovation zu verlieren. Deshalb braucht es nachhaltige Investitionen und keine versteckten Sparübungen von Seiten des Bundes.

Alle vier Jahre veröffentlicht der Bundesrat eine Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI), in der er darlegt, wie der BFI-Bereich gefördert werden soll. Zum ersten Mal haben neben dem Parlament und den betroffenen BFI-Institutionen auch weitere interessierte Kreise sowie letztlich alle interessierten Bürger*innen die Möglichkeit, sich zu den Plänen des Bundesrates im Rahmen eines Vernehmlassungsverfahrens zu äussern.

Dass die Kantone, Dachverbände, Parteien zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI) Stellung nehmen können, ist eine begrüssenswerte Premiere. Ziel des neuen Prozesses ist, dass «(...) die BFI-Politik des Bundes bei einem wesentlich breiteren Kreis in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft abgestützt und transparent diskutiert werden, schon bevor das Parlament zum Zug kommt.»

Bis jetzt scheint sich das Interesse daran aber in Grenzen zu halten. Öffentlich geäussert haben sich bis jetzt fast nur BFI-Institutionen, die finanziell vom Bund abhängig sind. Gefragt wären jedoch alle, denen eine wettbewerbsfähige und gut ausgebildete Schweiz am Herzen liegt.

Versteckte Sparübungen bei Bildung und Forschung

Zwar kommuniziert der Bundesrat für 2025-2028 ein Wachstum von nominal 2%, doch weil eine Kompensation der Teuerung fehlt, wird aus dem angekündigten Wachstum eine versteckte Sparübung. Umso erstaunlicher ist, dass der Bundesrat am 2021 gesetzten Ziel festhält, die «Schweiz [solle] führend bleiben in Bildung, Forschung und Innovation», zumal er offen lässt, ob die geplanten Ausgaben von 29,7 Milliarden Franken wirklich ausgeschöpft werden können. Dies wird von der Entwicklung der Bundesfinanzen abhängig macht. Johannes Mure vom SBFI sagt zu den Schwerpunkten des Bundesrats: «Anders als in früheren Jahren ist Bildung, Forschung und Innovation nicht als prioritärer Bereich benannt.» (Echo der Zeit vom 2.6.23)

Doch wie soll die Schweiz führend in Bildung, Forschung und Innovation bleiben, wenn der BFI-Bereich real weniger Mittel zur Verfügung hat, dafür mit mehr Studierenden, akutem Fachkräftemangel, dem Ausschluss aus dem Forschungsrahmenprogramm der EU und den zu erwartenden Disruptionen durch KI konfrontiert ist? Diese Antwort bleibt der BFI-Bericht schuldig.

Hinzu kommt, dass staatliche BFI-Ausgaben auch direkte wirtschaftliche Wertschöpfung generieren, sodass sich die Frage stellt, ob sich die Schweiz das Sparen bei Forschung und Bildung wirtschaftlich überhaupt leisten kann. Vor dem Hintergrund der staatlichen Milliardensubventionen in Europa, den USA und weiteren Ländern für die Förderung von grünen Innovationen und ausgesuchten Industrien, scheint der Schweizer BFI-Führungsanspruch optimistisch und der Ausblick für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes pessimistisch.

Die Vernehmlassung dauert noch bis am 24. September. Es bleibt zu hoffen, dass sich in der verbleibenden Zeit weitere Akteure aus der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kritisch äussern. Zudem kann die Schweizer Bevölkerung durch die Wahl von BFI-unterstützenden Politiker*innen die anstehende Diskussion der BFI-Botschaft 2025-2028 im Parlament beeinflussen. Dank der direkten Demokratie sind wir alle beteiligt an BFI-Politik.

Autor*innen

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Beirätin

An der Universität Zürich hat Laurence Politikwissenschaft und Publizistik und an der ETH Zürich Architekturgeschichte studiert. So heterogen die Fächerkombination, so vielfältig sind auch die Interessen, die sie neben ihrer Arbeit als Projektleiterin MINT-Nachwuchsförderung bei der ETH Zürich noch hat. Laurence setzt sich dafür ein, Reatch bekannter zu machen, die Community zu entwickeln und die Mitglieder noch besser untereinander zu vernetzen.

Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.

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