Insekten esther niemack

Insekten auf dem Teller: Sind sie auch gesund?

Ab 2017 soll der Verkauf von Mehlwürmern, Grillen und Heuschrecken als Lebensmittel auch in der Schweiz erlaubt sein. Doch wie gesund sind Insekten wirklich?

In der Schweiz tritt voraussichtlich im Frühjahr 2017 die neue Lebensmittelverordnung in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürften Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken als Lebensmittel angeboten werden. Coop möchte die Insekten bereits am ersten Tag nach der Legalisierung anbieten, wie «20 Minuten» schreibt.

Bestimmte Insekten werden schon seit jeher von Menschen als Nahrungsmittel konsumiert. Einige sehen sie als geeignetes Mittel gegen den Klimawandel. Sogar der Welthunger soll durch den vermehrten Insektenkonsum besiegt werden. Der Verzehr von Insekten wird in den Medien of als besonders gesunde Ernährungsform angepriesen.

Fragt man Google, wie gesund Insekten sind, heisst es, sie seien voller Vitamine, ungesättigter Fettsäuren und ihr Proteingehalt entspreche dem von Geflügel oder Rind. Ganz so einfach ist es aber doch nicht, denn Insekt ist nicht gleich Insekt. Die verschiedenen Krabbeltiere unterscheiden sich zum Teil erheblich in ihrer Nährstoffzusammensetzung.

Was die Wissenschaft sagt

Forschende in Oxford und Tokyo haben untersucht, wie gesund Insekten sind. Dafür haben sie 183 öffentlich zugängliche Datensätze über die Nährstoffzusammensetzung von drei häufig konsumierten Fleischprodukten (Rind, Schwein und Poulet) und von sechs kommerziell erhältlichen Insektenspezies bezüglich Energieausbeute und relevanten Nährstoffen untersucht. Die Datensätze haben die Forschenden an zwei Ernährungsprofilierungsmodelle (nutrient profiling tools) angewendet.

Das eine ist das sogenannte Ofcom-Model. Ursprünglich wurde dieses Modell entwickelt, um die TV-Werbung von ungesunden Lebensmitteln zu unterbinden: Wollte ein Produzent Werbung für sein Produkt machen, wurde dessen Nährstoffzusammensetzung untersucht. Das Ofcom-Modell bestimmt nur aufgrund dieser Zusammensetzung, ob ein Produkt als gesund oder ungesund deklariert wird. Da diese Methode auch Skeptiker auf den Plan brachte, wurde das Modell einer rigorosen Überprüfung unterzogen. Heute wird es vom britischen unabhängigen wissenschaftlichen Beistandskomitee für Ernährung (SACN) sowie von vielen Ernährungswissenschaftlern unterstützt.

[Bild: Essbare Insekten im «Future Food District» der Expo Milano 2015. (Bild: Imago)]

Das zweite Modell heisst «Nutrient Value Score» (NVS) und wurde in Ostafrika verwendet, um Mangelernährungszustände aufzudecken. Das Modell wurde vom Welternährungsprogramm der vereinten Nationen entwickelt. Es konzentriert sich vor allem auf die Mikronährstoffzusammensetzung von Lebensmitteln.

Die Resultate aus dem Ofcom-Model liessen keine Hinweise zu, dass Insekten gesünder sind als die Fleischerzeugnisse aus Rind, Schwein oder Huhn. Das NVS-Model, das in Ostafrika angewendet wurde, zeigte, dass afrikanischen Palmenrüsslern und Mehlwürmern signifikant gesündere Eigenschaften aufweisen als Fleisch aus Rinderzeugnissen. Die Resultate aus dem zweiten Modell (NVS) sind laut den Autoren der Studie jedoch mit Vorsicht zu geniessen, da die Daten unvollständig sind.

Gesund ist eine Frage des Kontexts

Aus dem NVS-Modell geht hervor, dass viele der untersuchten Insekten einen höheren Energiegehalt, mehr Natrium und mehr gesättigte Fettsäuren enthalten als Produkte aus der konventionellen Tierzucht.

Wenn es um die Prävention von Krankheiten geht, die mit einem ungesundem Ernährungsstil korrelieren, sind Insekten laut den Autoren keine geeignete Alternative zu Fleisch. Gleichzeitig könnten Insekten dort, wo Mangelernährung auftritt, eine geeignete Möglichkeit darstellen, dieser entgegenzuwirken – vor allem, weil Insekten oft einen hohen Gehalt an Mikronährstoffen aufweisen. Eine Datenanalyse hat ergeben, dass vor allem der Mehlwurm dafür geeignet wäre.

Am wichtigsten aber sei, dass die Nährstoffzusammensetzung allein nur ein Indikator für den Effekt auf die menschliche Gesundheit ist. Die Autoren bezeichnen dies als eine signifikante Limitierung ihrer Studie.

Wider die Wegwerfmentalität

Die Forschenden aus Oxford und Tokyo weisen darauf hin, dass sich Insekten im Vergleich zu den häufig konsumierten Fleischprodukten stark in ihrer Nährstoffzusammensetzung unterscheiden. Daher seien einige Insekten eine geeignete Ergänzung zur lokalen Ernährungsweise. Die Wissenschafter erläutern dies am Beispiel des afrikanischen Palmenrüsslers, der in einigen Teilen Afrikas konsumiert wird und einen hohen Gehalt an Lysin und Leucin aufweist – beide Nährstoffe sind in unzureichenden Mengen in der Wurzelknolle enthalten. Die Wurzelknolle aber ist in diesen Gegenden ein Grundnahrungsmittel.

Die Autoren erwähnen einen weiteren spannenden Aspekt: In den Industrienationen wird es immer üblicher, nur bestimmte Teile eines geschlachteten Tieres zu verwerten; oft wird nur das Muskelgewebe gegessen. Innereien sind aber im besonderen Masse nährreich.

Die Autoren weisen darum daraufhin, dass der Verbrauch dieser Teile eine gesündere Alternative sein könnte. Auch wenn der Konsum von Insekten laut den Wissenschaftlern aus klimatechnischen Gründen gerechtfertigt ist, wäre der vollwertigere Konsum der bereits bestehenden Fleischprodukte aus ernährungsrelevanten Gründen vorzuziehen.

Nährstofftabelle mit Tücken

Interessant ist auch die Frage, wie die Nährstoffzusammensetzung eines Insektes überhaupt zustande kommt. Entomos, eine Schweizer Firma, die verschiedene Insektenprodukte anbietet, hat einen Insektenratgeber zusammengestellt. Darin kommen unter anderem Experten zu Wort, die erklären, dass der Anteil an ungesättigten Fettsäuren in Insekten von der Fütterung abhängt. Insekten in freier Wildbahn enthalten mehr ungesättigte Fettsäuren, solche in Aufzucht vermutlich weniger, da die Fütterung von Fetten eher teuer ist.

Insekten sind also nicht gleich Insekten – je nach Spezies können zum Teil beträchtliche Unterschiede in deren Nährstoffzusammensetzung bestehen. Einige Insekten sind auch für Frau und Herr Schweizer als Lebensmittel interessant. Andere Tierchen könnten in Ländern mit Nahrungsmittelknappheit helfen, Mangelernährungszustände in der Bevölkerung zu reduzieren.

Dieser Artikel ist am 8. Dezember 2016 im Science-Blog von NZZ Campus erschienen.

Insekten als Lebensmittel - Ein Blick über den Tellerrand

Angestossen durch die Revision des Lebensmittelgesetzes führt Reatch eine siebentägige öffentliche Ausstellung durch, um der breiten Öffentlichkeit auf objektive und interaktive Art und Weise die Chancen und Herausforderungen des Lebensmittels Insekten näherzubringen und den aktuellen Stand in Sachen Insektennahrung in Forschung und Gesellschaft aufzuzeigen.

Während der Ausstellung finden unterschiedliche Events statt, wie beispielsweise Kochworkshops, Vorträge und Podiumsdiskussionen. Die Ausstellung, unterteilt in verschiedene Themengebiete, wird vom 3. - 11. März 2017 in Zusammenarbeit mit der Nachhaltigkeitswoche an der ETH Zürich stattfinden.

Mehr Informationen gibt es hier.

Autor*innen

Sandro Christensen

Autor*in

Standortleiter Bern

Sandro Christensen ist Regioleiter von reatch in Bern, koordiniert das Projekt „Lebensmittel, Landwirtschaft & grüne Gentechnik“ und ist stv. Projektleiter des EbM-Projektes. Er studiert Humanmedizin und Biomedical Sciences (MD-PhD Track I) an der Universität Bern.

Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.

Zum Kommentieren mehr als 20 Zeichen im Text markieren und Sprechblase anklicken.

Wir freuen uns über nützliche Anmerkungen. Die Kommentare werden moderiert.