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Grüne Gentechnik: Eine friedliche Koexistenz ist möglich

Das Parlament sollte die grüne Gentechnik erlauben oder aber die alten Gründe für das Moratorium an den aktuellen Stand der Wissenschaft anpassen. Mangelnde Nachfrage allein reicht für ein Verbot nicht aus.

Ursprünglich auf fünf Jahre befristet, gilt das 2005 von Volk und Ständen beschlossene Moratorium für die Gentechnik nach zweimaliger Verlängerung noch immer. Kommende Woche gelangt das Moratorium erneut in den Nationalrat. Es soll nach dem Willen des Bundesrates um weitere vier Jahre verlängert werden. Das ist eine schlechte Idee.

Das Moratorium wurde einst eingeführt, um offene Fragen zu klären: Wie wirken sich gentechnisch veränderte Pflanzen auf Ökosysteme und Gesundheit von Mensch und Tier aus? Wie gross ist die Nachfrage nach Lebensmitteln aus gentechnischer Erzeugung auf dem Schweizer Markt? Wie würde ein Nebeneinander von konventionellen und gentechnisch veränderten Pflanzen (die Koexistenzregelung) aussehen? Welche Vorteile ergeben sich durch gentechnisch veränderte Pflanzen? Inwiefern sind Folgen der grünen Gentechnik abschätzbar?

Es gab ein Nationales Forschungsprogramm, das NFP 59. Die Resultate wurden 2012 publiziert und konnten viele der Fragen beantworten. Das Fazit: Gentechnisch veränderte Pflanzen sind für die menschliche Gesundheit und die Umwelt genauso ungefährlich oder gefährlich wie konventionell gezüchtete Pflanzen; ob sie einen wirtschaftlichen Vorteil bringen, hängt stark von der Art der genetischen Modifikation, den ökologischen Rahmenbedingungen sowie der Höhe der Landwirtschaftssubventionen ab; und gut zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer sind für die Wahlfreiheit.

Eine Frage scheint aber nicht zufriedenstellend beantwortet zu sein: die der Koexistenzregelung. Wie lassen sich gentechnisch veränderte und unveränderte Pflanzen nebeneinander anbauen, ohne dass es zu einer Durchmischung kommt? Es geht um die Regulierung von Saatgut, Mindestabstände zwischen Feldern, getrennte Warenströme, Lebensmittel-Labels, Verkaufsrichtlinien und Haftpflichtregelungen. Bauern, Lebensmittelverarbeiter und Konsumenten sollen wissen, welches Produkt sie anbauen, verarbeiten und essen.

Zwar kommen das NFP 59 sowie weitere vom Bund in Auftrag gegebene Studien zum Schluss, dass eine Koexistenz auch in der kleinräumigen Schweizer Landwirtschaft möglich ist, doch als der Bund vor drei Jahren einen entsprechenden Gesetzesvorschlag in die Vernehmlassung schickte, waren die Reaktionen vernichtend. Eine Mehrheit sprach sich gegen den Entwurf aus, wobei ein erheblicher Teil der Stellungnahmen gar nicht auf inhaltliche Einzelheiten oder materielle Elemente der Vorlage einging, sondern eine grundsätzliche Ablehnung gegenüber dem Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft zum Ausdruck brachte. In anderen Worten: Selbst wenn eine Koexistenz möglich wäre, wollen viele nichts von der grünen Gentechnik wissen.

Eine problematische Haltung. Denn ein generelles Verbot der grünen Gentechnik ist nur dann haltbar, wenn gentechnisch veränderte Pflanzen eine Gefahr für die Gesundheit, die Umwelt oder die gesellschaftliche und individuelle Entscheidungsfreiheit bedeuten. Die ersten beiden Punkte wurden durch das NFP 59 entkräftet. Den letzten Einwand soll die Koexistenzregelung lösen.

Doch die negativen Reaktionen aus dem Vernehmlassungsverfahren haben den Bundesrat vorsichtig gemacht. Insbesondere zweifelt er daran, dass vonseiten der Landwirtschaft und der Konsumenten ein Interesse an gentechnisch veränderten Organismen besteht. Er schlägt deshalb eine Verlängerung des Moratoriums bis 2021 vor, um offene Fragen zu klären.

In der Tat sind die meisten kommerziell erhältlichen, gentechnisch veränderten Pflanzen nicht an die hiesigen Gegebenheiten angepasst und damit für die Schweizer Landwirtschaft uninteressant. Auch die Nachfrage bei den Konsumentinnen und Konsumenten hält sich laut NFP 59 in Grenzen: Nur ein Viertel der Schweizerinnen und Schweizer würde zurzeit Lebensmittel aus gentechnischer Erzeugung kaufen.

Doch reicht das, um ein Verbot zu rechtfertigen? Zum Vergleich: Bei Bioprodukten liegt der Marktanteil unter 10 Prozent – trotzdem käme niemand auf die Idee, ein Verbot wegen zu geringer Nachfrage zu fordern.

Der Entscheid über die Verlängerung des Verbots der Gentechnik sollte nicht von der Nachfrage abhängen. Denn wenn das Interesse an gentechnisch veränderten Pflanzen fehlt, ist ein Verbot überflüssig. Besteht hingegen eine Nachfrage, ist die Aufrechterhaltung des Verbots erst recht fragwürdig.

Es wird Zeit, das Gentechnik-Moratorium auslaufen zu lassen. Im schlimmsten Fall werden gentechnisch veränderte Produkte von den Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten verschmäht. Im besten Fall gewinnt die Schweizer Landwirtschaft ein wertvolles und vielfältiges Werkzeug. Eine friedliche Koexistenz mit der grünen Gentechnik ist in beiden Fällen möglich.

Dieser Artikel ist am 4. Dezember 2016 in der NZZ am Sonntag erschienen.

Autor*innen

Sandro Christensen

Autor*in

Standortleiter Bern

Sandro Christensen ist Regioleiter von reatch in Bern, koordiniert das Projekt „Lebensmittel, Landwirtschaft & grüne Gentechnik“ und ist stv. Projektleiter des EbM-Projektes. Er studiert Humanmedizin und Biomedical Sciences (MD-PhD Track I) an der Universität Bern.

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