Gruene gentechnik small

Gentechnik: (k)ein legitimes Werkzeug?

Wenn wir ernsthaft über die Chancen und Risiken von gentechnisch veränderten Pflanzen diskutieren wollen, dann sollten wir über die Gentechnik selbst sprechen – und nicht über Probleme, die mit der Landwirtschaft als Ganzes zu tun haben.

Der Einsatz von grüner Gentechnik in der Landwirtschaft ist ein politischer Dauerbrenner: Selbst auf Sparflamme lodert das Feuer stark genug, um die Gemüter zum Kochen zu bringen.

Natürliche Landwirtschaft gibt es nicht

Viele stehen der gezielten Veränderung des pflanzlichen Erbguts kritisch gegenüber und sehen darin etwas Unnatürliches, einen unzulässigen Eingriff in die Natur. Doch Landwirtschaft – egal ob biologisch oder konventionell, ob mit oder ohne Gentechnik – ist immer unnatürlich.

Als unsere Vorfahren damit begannen, Äcker zu bestellen, Samen auszusäen und Pflanzen zu ernten – kurz: Landwirtschaft zu betreiben –, veränderten sie damit auch die Umwelt; Naturflächen wurden zu Kulturland.

Eine Landwirtschaft, die im Einklang mit der Natur stattfindet, ist keine Landwirtschaft mehr, sondern wilde, unberührte Natur.

Kreuzungslotterie

Auch der Eingriff in das Erbgut von Pflanzen ist so alt wie die landwirtschaftliche Tradition der Menschheit selbst. Denn jede konventionelle Kreuzung mischt das Erbgut einer Pflanze neu – und zwar weitgehend unkontrolliert.

Während die Gentechnik das gezielte Hinzufügen oder Entfernen von Genen erlaubt, werden bei herkömmlichen Kreuzungen viele verschiedene Genabschnitte gleichzeitig ausgetauscht. Neben den gewünschten Eigenschaften können damit auch unerwartete Merkmale ins Erbgut der Pflanze gelangen.

Trotzdem gehen viele Konsumenten unwillkürlich davon aus, dass konventionelle Züchtungen in jedem Fall «sicherer» seien als gentechnisch veränderte Organismen (kurz: GVOs). Anstatt den Nutzen und die Risiken jeder einzelnen Pflanze – ob gentechnisch verändert oder nicht – gesondert zu beurteilen, werden GVOs kategorisch als gesundheits- und umweltschädigend abgestempelt.

Gentechnik unter Generalverdacht

Auch ich bin der Meinung, dass Nahrungsmittel auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit für den Menschen getestet werden sollten. Doch nur weil eine Pflanze gentechnisch verändert wurde, ist sie nicht gleich gesundheitsschädigend.

Und eine Pflanze, die aus konventioneller Züchtung stammt, ist nicht in jedem Fall gesundheitlich unbedenklich. So lassen sich Esskürbisse problemlos mit Zierkürbissen kreuzen – vom Verzehr der daraus entstehenden Früchte ist jedoch unbedingt abzuraten.

Doch warum müssen konventionelle Züchtungen nicht ebenso hohe rechtliche Auflagen wie GVOs erfüllen, um eine landwirtschaftliche Zulassung zu erhalten?

Nachhaltige Landwirtschaft und Gentechnik – ein Widerspruch?

Es scheint, als ob mit zweierlei Ellen gemessen wird, sobald es um Gentechnik geht. Das zeigt sich beispielhaft bei der Diskussion um die Umwelteinwirkungen von GVOs. Gentechnisch veränderte Pflanzen seien schädlich für die Biodiversität und die Umwelt – so der oft geäusserte Pauschalvorwurf.

Doch die Tatsache, dass eine Pflanze gentechnisch verändert worden ist, lässt für sich genommen noch keine Aussage über ihren Einfluss auf die Umwelt zu. Viel wichtiger ist die Antwort auf die Frage, welche Art von Veränderung vorgenommen wurde und welche Form von Landwirtschaft damit betrieben wird.

Eine ressourcenintensive Landwirtschaft ist selten umweltschonend – dabei spielt es keine Rolle, ob gentechnisch veränderte Pflanzen zum Einsatz kommen oder nicht. Auf der anderen Seite schliessen sich Gentechnik und nachhaltige Landwirtschaft nicht gegenseitig aus. Wieso sollte beispielsweise der Golden Rice, der sich nur mit seinem erhöhten Provitamin-A-Gehalt von herkömmlichem Reis unterscheidet, schädlich für die Umwelt sein?

Patente und Grosskonzerne

Auch in der Diskussion um die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen von GVOs wird die Gentechnik für Dinge verantwortlich gemacht, an denen sie keine Verantwortung trägt.

So ist es absolut legitim, das Patentieren von Saatgut in Frage zu stellen und die Marktmacht von Grosskonzernen in der Landwirtschaft kritisch zu betrachten – doch weder das eine noch das andere hat etwas mit Gentechnik zu tun.

Diese Marktmacht gibt es schliesslich auch bei konventionell gezüchtetem Saatgut – und auch dieses Saatgut darf rechtlich geschützt werden. Ich kann also das Patentieren von konventionell gezüchteten Samen gutheissen und mich trotzdem gegen Gentechnik aussprechen. Und ich kann Gentechnik befürworten, aber das Patentieren von gentechnisch veränderten Pflanzen ablehnen.

Ein Werkzeug unter vielen

Gentechnik rettet nicht die Welt – aber zerstören wird sie sie auch nicht. Wir sollten die Gentechnik also nicht unnötig verteufeln, sondern sie als das sehen, was sie ist: Ein Werkzeug unter vielen.

Die gezielte Veränderung des Erbguts kann uns dort weiterhelfen, wo wir mit konventionellen Züchtungen an unsere Grenzen stossen. Die Gentechnik ist dabei nicht als Ersatz, sondern vielmehr als Ergänzung zu herkömmlichen Züchtungsmethoden zu verstehen. Sie erweitert unser landwirtschaftliches Instrumentarium und verschafft uns damit mehr Wahlfreiheit.

Das weltweite Bevölkerungswachstum, der steigende Ressourcenverbrauch und die Folgen des Klimawandels stellen uns vor wesentliche landwirtschaftliche Herausforderungen, die sich nicht mit Gentechnik allein meistern lassen. Aber es wäre töricht, wenn wir uns einem Werkzeug verweigern würden, das uns bei der Behebung heutiger und zukünftiger Probleme helfen könnte.

Dieser Artikel ist am 30. April 2015 im Science-Blog von NZZ Campus erschienen.

Autor*innen

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Präsidium, Fundraising

Servan Grüninger ist Mitgründer und Präsident von Reatch. Er hat sein Studium mit Politikwissenschaften und Recht begonnen und mit Biostatistik und Computational Science abgeschlossen. Zurzeit doktoriert er am Institut für Mathematik der Universität Zürich in Biostatistik. Weitere Informationen: www.servangrueninger.ch.

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