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Datenspende: Wie unsere digitalen Spuren gesellschaftlichen Nutzen stiften können

Mittlerweile wissen die meisten, dass wir mit jedem Like bei Instagram, jeder Sucheingabe bei Google oder jedem Tracking über eine Fitness-App digitale Spuren hinterlassen, die von Unternehmen gesammelt werden. Dass wir jedoch ein Recht an diesen Daten haben und sie anonymisiert für gemeinnützige und wissenschaftliche Zwecke spenden können, ist noch weitgehend unbekannt.

Mit jedem Like bei Instagram, jeder Sucheingabe bei Google oder jedem Tracking über eine Fitness-App hinterlassen wir digitale Spuren, die von Unternehmen gesammelt werden. Dass diese Daten Rückschlüsse über uns als Nutzer:innen zulassen und für die Geschäftsmodelle der Unternehmen sehr wertvoll sind, ist den meisten Personen mittlerweile bewusst. Dass wir jedoch ein Recht an diesen Daten haben und sie für gemeinnützige und wissenschaftliche Zwecke spenden können, ist noch weithin unbekannt. Das Konzept der Datenspende setzt genau hier an und ermöglicht allen Nutzer:innen, einen Beitrag für die digitale Gesellschaft zu leisten.

Wenn alles Wissen bei den Plattformen liegt

Digitale Plattformen wie Google, Facebook oder Amazon verfügen über eine enorme Menge an Nutzungsdaten. Sie wissen, wer unsere Freund:innen sind, was uns interessiert, was wir kaufen und welche Orte wir besuchen. Dieses Wissen gibt ihnen nicht nur die Möglichkeit, massgeschneiderte Werbeanzeigen zu schalten, sondern verleiht ihnen auch grossen Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse. Für die Werbe- und Techbranche sind unsere Daten deshalb eine wertvolle Ressource, doch der gesellschaftliche Nutzen dieser Informationen bleibt oft ungenutzt.

Auch Forschungseinrichtungen, gemeinnützige Organisationen und politische Entscheidungsträger:innen wären auf diese Daten angewiesen, um fundierte Entscheidungen zu treffen und gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen. Anstatt die Daten auch für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung zu stellen, haben die Plattformen den Zugang zu diesen in den letzten Jahren weiter eingeschränkt.[1] Gleichzeitig verloren bisherige Methoden der wissenschaftlichen Forschung an Aussagekraft. Während man früher z.B. die Mediennutzung mittels Umfragen und die Abfrage der genutzten Fernsehkanäle, Radiosender und Tageszeitungen relativ genau bestimmen konnte, ist dies bei Social Media-Plattformen kaum mehr möglich. Zu gross ist die Fülle an Angeboten, die von den Algorithmen individualisiert zusammengestellt werden.[2] Dies führt letztlich zur Problematik, dass die potentiellen Auswirkungen von sozialen Medien nur von den Unternehmen selbst festgestellt werden können und die Gesetzgeber und Regulierungsbehörden keine unabhängige Entscheidungsgrundlage haben. Auch die Wissenschaft muss deshalb neue Wege und Mittel finden, um Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen zu finden, welche sich durch die zunehmende Digitalisierung ergeben. Aber wie ist das möglich, wenn alles Wissen bei den Plattformen liegt?

Unser Recht an den Daten

Eine bedeutende Entwicklung in den letzten Jahren ist das wachsende Bewusstsein für den Datenschutz und die Rechte der Nutzer:innen an ihren eigenen Daten. Mit der Einführung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem revidierten Datenschutzgesetz in der Schweiz (revDSG), wurden wichtige Rechte der Nutzer:innen festgeschrieben. Dazu gehören das Recht auf Auskunft über gespeicherte Daten und das Recht auf Datenportabilität. Das bedeutet, dass Nutzer:innen bei digitalen Plattformen anfragen können, welche Daten über sie gespeichert sind, und diese Daten in einem maschinenlesbaren Format herunterladen können. Diese neuen rechtlichen Rahmenbedingungen haben das Potenzial, die Machtverhältnisse zwischen den Plattformen und ihren Nutzer:innen zu verändern. Sie geben den Menschen mehr Kontrolle über ihre digitalen Spuren und eröffnen neue Möglichkeiten, wie diese Daten für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden können. Statt darauf angewiesen zu sein, dass Plattformen Daten freiwillig zur Verfügung stellen, können Forscher:innen auf die Kooperation von Nutzer:innen setzen, die ihre Daten freiwillig – im Sinne einer „Datenspende“ – für die Forschung bereitstellen.

Wissenschaftliche Forschung mit gespendeten Daten

Die Anwendung von Datenspenden in der Forschung reicht von Mobilitätsdaten und Kaufinformationen über Gesundheitsdaten bis hin zur Mediennutzung und Messengerkonversationen. Der Prozess einer Datenspende besteht in der Regel aus dem Bezug der Informationen durch die Nutzer:innen bei den jeweiligen Unternehmen (Download) und der Übermittlung der Daten an die Forscher:innen (Upload). Um diesen Prozess möglichst einfach und sicher zu gestalten, wurden in den letzten Jahren spezielle Programme für Datenspenden entwickelt.[3] Diese zeigen den Nutzer:innen, in einem ersten Schritt, wie sie ihre Daten von den verschiedenen Plattform beziehen können. In einem zweiten Schritt werden die Daten noch auf dem Gerät der Nutzer:innen gefiltert, anonymisiert und transparent gemacht, welche Daten Teil der Spende sein werden. Erst danach werden die Daten verschlüsselt übermittelt und in einer geschützten Datenbank gespeichert, auf die nur die Forscher:innen Zugriff haben. Durch die Reduktion der gespendeten Daten auf das absolute Minimum, das für die Forschung notwendig ist, werden sowohl die Gefahr für eine Deanonymisierung als auch ein Datenmissbrauch minimiert.

Im Vergleich zu anderen Methoden der Datenerhebung bietet die Datenspende zahlreiche Vorteile: Sie umgeht die Plattformen als Datenwächter und lässt sich grundsätzlich auf alle digitalen Spuren anwenden. Dadurch lassen sich Informationen über verschiedene Endgeräte und Plattformen zusammenführen. Durch die Kombination mit einem Fragebogen lassen sich die digitalen Spuren zusätzlich mit persönlichen Einschätzungen und Informationen zu Einstellungen und Verhaltensweisen anreichern, welche in den Daten nicht enthalten sind. Dies eröffnet der wissenschaftlichen Forschung Möglichkeiten, welche selbst die Plattformen nicht haben. Auch ethisch gesehen bietet die Datenspende Vorteile, da die Nutzer:innen ihre ausdrückliche Zustimmung zur wissenschaftlichen Verwertung ihrer Daten geben und somit ein hohes Mass an Transparenz und Datenschutz gewährleistet ist.

Diesen Vorteilen stehen die geringe Bekanntheit des Ansatzes und damit verbundene Datenschutzbedenken der Teilnehmer:innen gegenüber. So zeigt sich, dass die empfundene Sensitivität der Daten aber auch die wahrgenommene Komplexität des Prozesses einen negativen Einfluss auf die Spendebereitschaft haben.[4] Insofern scheint es umso wichtiger zu sein, den Ansatz mit Citizen Science Projekten[5] und Outreach-Veranstaltungen über den Kreis der Wissenschaft hinaus bekannt zu machen. Wenn dies gelingt, könnte die Datenspende in Zukunft eine Schlüsselrolle in der Forschung einnehmen.

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Am 21. und 28. September organisiert das Data Donation Lab der Universität Zürich die Data Donation Days mit Standaktionen in Zürich und Winterthur. An den Ständen wird das wissenschaftliche Upcycling persönlicher Daten erlebbar und wird über Datenspenden für Forschungszwecke informiert.

References

[1]

Bruns, A. (2019). After the ‘APIcalypse’: social media platforms and their fight against critical scholarly research. Information, Communication & Society, 22(11), 1544–1566.

[2]

Pouwels, J. L., Araujo, T., van Atteveldt, W., Bachl, M., & Valkenburg, P. M. (2024). Integrating communication science and computational methods to study content-based social media effects.

Communication Methods and Measures, 18(2), 115–123.

[3]

Pfiffner, N., Witlox, P., & Friemel, T. M. (2024). Data Dona=on Module: A Web Applica=on for Collec=ng and Enriching Data Dona=ons. Computa(onal Communica(on Research, 6(2).

[4]

Pfiffner, N., & Friemel, T. N. (2023a). Leveraging data donations for communication research: Exploring drivers behind the willingness to donate. Communication Methods and Measures, 17(3), 227–249.

Autor*innen

Autor*in

Thomas Friemel ist Professor am Institut für Kommunikations-wissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich (IKMZ) und forscht zu Mediennutzung und Medienwirkung. Er hat 2021 das Data Donation Lab der Universität gegründet, das ein interdisziplinären Netzwerk aus Forschenden bildet und mit dem Data Donation Module eine Software für die Unterstützung von Datenspendenprojekten anbietet.

Autor*in

Nico Pfiffner ist Postdoktorand am Institut für Kommunikations-wissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich (IKMZ), wo er 2024 zum Thema der Datenspende promoviert hat. Er ist Mitgründer des Data Donation Labs der Universität Zürich und Entwickler des Data Donation Modules, einer Software für die Unterstützung von Datenspendenprojekten.

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