Democracy27

Demokratie 2.0 - Demokratie digitalisieren

Unsere Demokratie kann auf eine reiche Geschichte zurückblicken und einen Grossteil des gesellschaftlichen Fortschritts als ihren Erfolg verbuchen. Von den Anfängen der griechischen Volksherrschaft bis zu den fortschrittlichen Mitbestimmungsrechten der Bundesverfassung von 1848 hat die Demokratie den westlichen Kulturen einen grossen Dienst erwiesen. Mit den heutigen technologischen Errungenschaften muss der nächste Entwicklungsschritt eingeleitet werden: die Digitalisierung der Demokratie.

Dieser Text ist im Rahmen des Reatch Ideenwettbewerbs 2023 entstanden. 2023 war ein besonderes Jahr für die Schweiz: Wir feierten 175 Jahre Bundesverfassung und damit 175 Jahre Schweizer Bundesstaat. Das nahmen wir zum Anlass, um nach Ideen für die Zukunft der Schweiz zu suchen. Welche Weichen müssen wir heute stellen, damit im Jahr 2198 die Menschen mit dem gleichen Stolz auf 2023 zurückblicken, wie wir heute auf die Entwicklungen seit 1848? Eine Auswahl der eingereichten Ideen wird auf www.reatch.ch veröffentlicht.

Vox Natio kann online als Website und als App genutzt werden.

Bürger*innen am Spielfeldrand der Politik

Die Politik basiert in der heutigen Zeit auf den Kommunikationskanälen der Vergangenheit. Die Politiker*innen treffen sich vor Ort in Bern, debattieren nacheinander am Vortragspult und stimmen ab. Die Resultate werden von den Politikwissenschafter*innen analysiert, kommentiert und kommuniziert. Das Volk liest in unterschiedlichen Medien die Ergebnisse und kann sich nachträglich eine Meinung dazu bilden. Nebst den jährlich etwa 12 Themen der eidgenössischen Volksabstimmungen kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass die Partizipation der Bevölkerung nur mit veralteten Instrumenten der Zuschrift und der Online-Kommentare ermöglicht wird.

Neuere Möglichkeiten der Digitalisierung werden nur für die Informationsvermittlung eingesetzt, aber nicht für den aktiven Einbezug der Bevölkerung. Immerhin sind in den letzten Jahren die Sozialen Medien als moderne Instrumente der Debatte hinzugekommen. Und die digitalen Informationsquellen werden vom Volk rege genutzt, denn gemäss dem IGEM-Digimonitor 2023 schauen 93% der Bevölkerung fern, 90% hören Radio und fast 90% lesen digitale Nachrichten auf Online-Portalen. Die Bürger*innen haben in der heutigen Zeit also hervorragenden Zugang zu Informationsmitteln, verfügen dank der hohen Bildung über die politischen Kompetenzen, werden aber am Spielfeldrand als Zuschauer*innen der Politik abgestellt. Diese Ausgangslage zeigt deutlich, dass in der Bevölkerung ein grosses Interesse an der Politik besteht. Um gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel im Sinne des Volkes zu begegnen, ist es unerlässlich, die Bevölkerung stärker in die Politik einzubeziehen.

Die Stimme des Volkes aktiv einbringen

Diese Zeichen der Zeit gilt es zu erkennen und die Demokratie in ein neues Zeitalter zu führen. Die Gesellschaft will die politische Partizipation stärken und fördert in diversen Programmen die politische Bildung (z.B. Campus für Demokratie, Discuss It, schweiz debattiert). Auch die Politikwissenschaft erforscht in diesem Bereich mit Hochdruck Verbesserungsmöglichkeiten der demokratischen Prozesse (z.B. begleitet das Zentrum für Demokratie der Universität Zürich ein Bürgerpanel in Uster), arbeitet an Optimierungen bei Abstimmungsmöglichkeiten (z.B. hat das Demokratie Labor Basel der Universität Bern zu Fuzzy Voting geforscht) und an adäquaten politischen Einheiten (z.B. das Buch «Mehr Demokratie wagen» von Bruno S. Frey und Oliver Zimmer). Diese Stossrichtungen werden aktuell in einem akademischen Rahmen beleuchtet, in der Umsetzung fehlt jedoch das geeignete Instrument.

Diese demokratischen Verbesserungen sollten den Weg von der Theorie in die Praxis finden. Die Plattform Vox Natio bietet sich für eine Kooperation von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft bestens an, denn sie hat einen ersten Schritt Richtung Digitalisierung vollzogen. Anstelle der passiven Informationsvermittlung kann die Bevölkerung wöchentlich zu den gesellschaftsrelevanten politischen Themen befragt werden und abstimmen. Zudem kann die Plattform auch die Mitarbeit der Bevölkerung bei der Erarbeitung einer umfassenden Themenbeurteilung fördern, indem Bürger*innen mit unterschiedlicher politischer Orientierung die Argumente ausgewogen und transparent zusammentragen und der Nation basisdemokratisch erarbeitete Informationen zur Verfügung stellen. Auch kann im Bereich der Abstimmungsmethodik die klassische Ja/Nein-Antwortmöglichkeit ergänzt werden mit Priorisierungen, graduellen Einstufungen oder weiteren Beurteilungsformen. Es ergäbe sich damit ein ausgewogeneres Bild der Stimme der Nation. Komplexe politische Themen könnten mit diesem Instrument besser beurteilt werden. Die Kenntnis der Stimme des Volkes dient sowohl den Politiker*innen als Gradmesser und Legitimation der Entscheide als auch der Politikwissenschaft als Basis für die Beurteilung und Analyse der politischen Debatten.

Potenzial der politischen Partizipation digital nutzen

Alle diese weitsichtigen Entwicklungspotenziale der Demokratie mit den digitalen Möglichkeiten unserer Zeit sind nur im Zusammenspiel von Wissenschaft, Gesellschaft und Politik zu erreichen. Die Plattform Vox Natio bietet die perfekte Ausgangslage für die Digitalisierung der Demokratie, nur braucht es in dieser Phase der Entwicklung Unterstützung und Mitwirkung. Die Politik nutzt diese Mitwirkung bereits rege, indem die verantwortlichen Politiker*innen einer Vox Natio-Abstimmung die Unterlagen vorab prüfen, die Abstimmungen in den Sozialen Medien verbreiten und die Abstimmungsresultate von Vox Natio entgegennehmen.

Es zeigt sich, dass im Bereich der Digitalisierung ein grosses Potenzial für eine moderne direkte Demokratie vorhanden ist. Nun sind die Wissenschaft, die Gesellschaft und die Politik gefordert, dieses Potenzial gemeinsam zu erschliessen und die Demokratie 2.0 mit Vox Natio zu schaffen.

Das Titelbild wurde mit Stable Diffusion XL Base 1.0 generiert. Der Prompt lautet: "people raising cell phones and ballots"

Autor*innen

Autor*in

Tobias Hauser ist Gründer der Plattform Vox Natio, welche sich als die politische Stimme der Gesellschaft versteht. Er lebt in und für die Schweiz und gibt den Stimmenden eine Stimme. Als diplomierter Hotelier hat er Arbeitserfahrungen im In- und Ausland und arbeitet aktuell als Teamleiter bei den SBB.

Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.

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